Grüne in Frankreich: Ökofeministin kontra Pragmatiker
Zwei mögliche Präsidentschaftskandidat*innen sind im Rennen: Der machtbewusste Jadot und die kämpferische Rousseau stehen für zwei Richtungen.
Beim zweiten Wahlgang am Wochenende kommt es zu einer Entscheidung zwischen zwei sehr verschiedenen Persönlichkeiten mit klar unterschiedlichen Vorstellungen von Politik und Gesellschaft. Die Ähnlichkeit mit der Konfrontation „Realos“ und „Fundis“ ist kein Zufall.
Der 54-jährige ehemalige Greenpeace-Leiter Yannick Jadot ist eine eher imposante Erscheinung: Er sitzt seit 2009 im Europaparlament bringt und eine lange Erfahrung aus der NGO-Arbeit mit. Mit seiner „pragmatischen“ Linie betrachtet er sich als „gemeinsamer Nenner“ der vielen Tendenzen. Zur Umsetzung seiner Ideen strebt er die Regierungsverantwortung an: „Um vorwärtszukommen, müssen wir die Macht erobern.“
Seinen internen Kritikern, die ihm vorwerfen, nicht genügend „radikal“ zu sein, hat er beschieden: „Radikal ist die Realität des Landes, der Klimawandel, das Verschwinden der Biodiversität. Meine Radikalität besteht darin, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.“ Schon vor fünf Jahren war er bei einer internen Vorausscheidung als Präsidentschaftskandidat auserkoren worden, dann hatte er aber zu Gunsten des Sozialisten Benoît Hamon seine Kandidatur zurückgezogen.
Das ist nur einer der Gründe, weshalb er an der Basis seiner Partei nicht besonders beliebt ist. Noch im Frühling hatte er mit den Sozialisten und anderen Linksparteien Verhandlungen über eine gemeinsame Kandidatur geführt, als diese kläglich scheiterten, kündigte er eigenmächtig seine Bewerbung an.
Sandrine Rousseau
Die 49-jährige Sandrine Rousseau, Wirtschaftswissenschaftlerin und Vizepräsidentin der Uni Lille, trat als Außenseiterin an, vermochte sich aber im Verlauf der Debatten als Linke und kämpferische Ökofeministin so gut zu profilieren, dass der eine ähnliche Linie fahrende Mitbewerber, Grenobles Bürgermeister Eric Piolle, etwas verblasste.
Rousseaus Plus in der Vorausscheidung war der Kampf gegen sexistische Gewalt und Diskriminierung. „Ökologie ist nicht ein weißer Mann auf einem Fahrrad in der Stadt“, spottet sie über ein Klischee des Grünen. „Es gibt keine weitreichende Veränderung ohne grundlegende Änderung der Machtstruktur, die heute von Männern dominiert ist, und das ist ein Teil des Problems.“
Radikal nennt sie selber ihre Vorstellungen einer institutionellen Reform, mit der die heute übermäßigen Befugnisse des Staatschefs zu Gunsten des Parlaments und der lokalen Versammlungen verringert werden müssten. Sie fordert ein Minimaleinkommen, eine scharfe CO2-Besteuerung und den Ausstieg aus der Atomkraft. Sie warnt: Nicht alle Maßnahmen, die sie als Präsidentin ergreifen möchte, würden „besonders angenehm“.
Die rechten Gegner haben sie bereits zu ihrer Lieblingsfeindin erkoren, weil sie der Meinung sind, eine solche „Extremistin“ oder „grüne Khmer“ könne den Wahlchancen von EELV nur abträglich sein. Der Abgeordnete des rechten RN, Sébastien Chénu, prahlte schon damit, er habe sich wie andere Rechtsextreme mit einer Stimme für Rousseau an den grünen Vorwahlen beteiligt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!