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Hotelbranche im NordenIst der Hotelboom am Ende?

Hamburg hat ein riesiges Wachstum in der Hotelbranche hinter sich. In anderen Regionen des Nordens läuft die Planung für neue Hotels dagegen weiter.

Platz für ein Hotel: Aufstockung des Hamburger Feldstraßenbunkers Foto: teamwork/Imago

Hamburg taz | Vor der hohen, verglasten Eingangsfassade des Motel One sind jetzt wieder Menschen zu sehen. Den Rollkoffer neben sich, sitzen sie rauchend auf den Plastikstühlen und schlürfen ihren Kaffee aus Plastikbechern. Drinnen, hinter den dunklen Fensterscheiben, sieht man helle Lampen und rege Betriebsamkeit.

Ähnlich wie vor dem Motel One sieht es an vielen Orten in der Hamburger Neustadt aus. Durch eine kleine Seitengasse kommt man direkt auf eine ruhig gelegene Seitenstraße zu, und dort am Eck steht das nächste Hotel. An der Fassade hängen viele kleine Balkone, auf denen orangefarbene Plastikstühle stehen – vier Sterne hat das Adina, 2017 öffnete es, sieben Jahre nach dem Motel One.

Nochmal 100 Meter weiter, links um die Ecke steht schon das nächste, eingerahmt zwischen einem schmucklosen Genossenschaftswohnhaus und einem alten verklinkerten Gebäude, das heute als Sitz einer Stiftung dient. Auch hier: Viel Glas an der Fassade des 4-Sterne-Hauses, dass 2008 seine Tore öffnete. Vor dem Eingang stehen einige Tou­ris­t:in­nen mit kleinen Rucksäcken, bereit, die Stadt zu erkunden.

Wer Hamburg als Tou­ris­t:in erkunden will, schläft in der Neustadt in optimaler Lage: Es ist nicht weit zu den Einkaufsstraßen der Innenstadt, in wenigen Fußminuten sind die Hotelgäste aber auch auf der Reeperbahn oder an den Landungsbrücken, um abends hinüber zu den Musicals auf der anderen Elbseite zu schippern.

Zahl der Hotelbetten hat sich verdoppelt

Hamburg hat einen Tourismusboom hinter sich. Im Jahr 2019 hat die Hamburg Tourismus GmbH über 15 Millionen Gästeübernachtungen verzeichnet, damit zählt Hamburg zu den beliebtesten Zielen für Städtereisende in Deutschland – nur Berlin und München werden noch häufiger besucht.

Und so schossen nicht nur in der Neustadt neue Hotels wie Pilze aus dem Boden. Wie das Statistikamt Nord mitteilt, gab es im Jahr 2000 in Hamburg 254 Hotelbetriebe, heute sind es 410 – eine Steigerung um mehr als 60 Prozent.

Und damit wuchs auch die Zahl der Betten in großen Sprüngen: von rund 30.000 im Jahr 2000 auf knapp 40.000 im Jahr 2008, auf 53.000 im Jahr 2012 und auf 72.000 Anfang 2020. Eingerechnet wurden in diese Zahlen nur Betriebe, die mindestens neun Betten anbieten. Dass in dieser Zeit eine Plattform namens AirBnB dafür sorgte, dass nochmal eine gewaltige Fülle an Übernachtungsmöglichkeiten dazukam, ist also noch nicht mal eingerechnet: Schätzungen zufolge dürfte es sich um 23.000 weitere Schlafgelegenheiten handeln.

Anfangs stieß dieser Bauboom noch hier und da auf Widerstand. An An­woh­ne­r:in­nen hatte bei den Neubauplänen schließlich kaum jemand gedacht, sie fühlten sich darum oft übergangen. Doch der Protest ist abgeflaut: Gab es in den Nullerjahren noch eine große, aber erfolglose Gegenwehr gegen das Möwenpick-Hotel im Hamburger Sternschanzenpark, artikuliert sich jetzt höchstens noch Widerstand, wenn es um prestigeträchtige Bauten wie den Feldstraßenbunker auf St. Pauli geht, der zugunsten eines Hotels aufgestockt werden soll. Dass es dort nun mit den Hotelplänen stockt, dürfte allerdings kaum mit dem Protest zusammen hängen.

Tourismusregionen im Fokus

Mittlerweile scheint es eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass bei großen Wohnungsbauprojekten immer ein Hotel mitgeplant wird: Auf dem Holstenareal, wo inmitten überwiegend teurer Wohnung auch ein Hotel mit 200 Betten entstehen soll. Und am Diebsteich, wohin der Altonaer Fernbahnhof verlegt wird. In der Hafencity stehen sowieso schon einige – und weitere sollen hinzukommen. Natürlich soll auch im riesenhohen Elbtower ein Hotel Platz finden. Ebenso wie im „Paloma-Viertel“ auf der Reeperbahn, wo einst die Esso-Häuser standen, und, und, und …

Ob der Bauboom in Hamburg nach der Pandemie wie geplant weitergeht, ist noch nicht abzusehen. In anderen traditionellen Tourismusregionen, an der Küste, im Alten Land, an der Schlei oder im Harz, sind traditionell die Ferienwohnungen die gängige Übernachtungsmöglichkeit. Doch auch dort setzt jetzt der Trend zum Hotel ein – die Branche buhlt auch dort um lukrativ erscheinende Bauflächen.

Ganz bruchlos geht das freilich nicht über die Bühne: Mal müsste dafür ein Stück Wald gerodet werden, mal machen sich die An­woh­ne­r:in­nen Sorgen. Was die einen als einen Schub für die Entwicklung des Tourismus begrüßen, empfinden die anderen als Bedrohung der Natur oder Störung der Nachbarschaft.

Lesen Sie mehr über die Entwicklung der Hotelbranche – und den Widerstand dagegen – in der Wochenendausgabe der taz nord oder am E-Kiosk.

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