Abschied von der Redaktionstaube: Unser Vogel des Jahres
Die taz-Redaktion hat seit Anfang August Taubenbabys auf dem Balkon, eins wurde nun von einer Krähe verspeist. Zeit für eine Ehrenrettung der Taube.
Welch ein trauriger Anblick: Heute Morgen verspeiste eine Krähe unser Taubenküken zum Frühstück. Dabei fing alles sehr vielversprechend an. Anfang August hatte sich eine Ringeltaube auf dem Balkon der Berliner taz-Redaktion eingenistet und zwei Eier ausgebrütet. Der Redaktion wuchs der Taubennachwuchs nachgerade ans Herz, sie rauchte ein bisschen weniger auf dem Balkon und achtete auf Ruhe.
Groß war die Freude, als wir endlich die zwei Küken sehen durften: Gelbe Daunen schauten aus der grauen Haut hervor und die Schnäbel wirkten fast überproportional zum Körper. Die Jungen waren dicht beieinandergekuschelt und man kam kaum auf die Idee, dass es sich um zukünftige Tauben handelt. Anfangs betrachtete die alleinerziehende Taube uns Ruhestörer streng, doch mit der Zeit war sie öfter und länger unterwegs.
Das heutige Leben einer Taube ist hartgepflastert: Zwar ist die Taube auch als Postbotin – als Brieftaube – bekannt, doch heute hat sie vor allem den Beinamen „Ratte der Lüfte“. Auch in der Lokalredaktion hielt sich die Freude in Grenzen, als sie das Nest baute. Doch das Bundesnaturschutzgesetz verbietet jegliche Ruhestörung oder Zerstörung eines besetzten Nestes, die Taube hatte also Glück.
Bei der Nabu-Wahl „Vogel des Jahres 2021“ warben Vogelschützer mit dem Slogan „Mehr Toleranz für Tauben“. Eine der Nabu- Naturschützerinnen meint dazu: „Die Tauben sind eine Metapher für alles, was wir sind und werden könnten: aus der Gefangenschaft zu den Herrschern über alle Städte.“ Der euphorische Zuspruch für die Taube reichte immerhin für Platz fünf bei „Vogel des Jahres 2021“.
Vorurteile über Tauben
Doch was steckt hinter den Vorurteilen, Tauben seien dumm und unhygienisch? Das Bundesgesundheitsamt schreibt dazu: „Das Risiko einer menschlichen Infektion durch Kontakt mit freilebenden Tauben ist im Allgemeinen nicht höher einzustufen als das Risiko einer Infektion durch den Kontakt mit Zuchttauben, Heim- oder Ziervögeln.“
Also gut, wild lebende Tauben sind nicht schmutziger als andere Vögel. Und wie steht es mit der Intelligenz der Tauben? Die Ruhr-Universität Bochum berichtete von Tauben, die die Orthografie der englischen Sprache erkannten. „Tauben und Menschen haben extrem unterschiedliche Gehirne und lernen trotzdem auf äußerst ähnliche Art und Weise orthografische Regeln“, erklärt Biopsychologe Onur Güntürkün. Vielleicht zwitschert unsere kleine Taube ja mal auf Englisch.
Leser*innenkommentare
Trabantus
Ich nehme mal an, eins wurde von einer Krähe verspeist. Andersherum, "eins hat nun eine Krähe verspeist", wäre es eine Sensation.
Ringelnatz1
@Trabantus Supi+!
Ihr geneigter Forist
Ringelnatz1
Umlegen die Krähe!
Schönes Bild.
Hab ich auch nicht erkannt, das das Taubenjunge sind.(Ohne Unterschrift)
Ohrwurm und Taube
Der Ohrwurm mochte die Taube nicht leiden.
Sie haßte den Ohrwurm ebenso.
Da trafen sich eines Tages die beiden
in einer Straßenbahn irgendwo.
Sie schüttelten sich erfreut die Hände
und lächelten liebenswürdig dabei
und sagten einander ganze Bände
von übertriebener Schmeichelei.
Doch beide wünschten sie sich im stillen,
der andre möge zum Teufel gehn,
und da es geschah nach ihrem Willen,
so gab es beim Teufel ein Wiedersehn.
Joachim Ringelnatz
Wer ist Taube, wer ist Ohrwurm in der taz -Redaktion ?