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Nachhaltige ModeTüll vor wolkenreichem Himmel

Im Frankfurter Kunstverein Familie Montez kommen die Malerei Philipp Schweigers und Mode von Nina Hollein zusammen. Gehören Mode und Kunst zusammen?

Nina Hollein und ihre „Suit Up“-Kollektion mit großformatigen Malereien von Philipp Schweiger Foto: Hartenfelser/imago

Symbiosen aus Mode und Kunst sind gut belegt. Nur ist es derzeit meist eher die Kunst, die in Mode-Sphären vordringt – in Form von Kollaborationen, was offenbar für beide Seiten attraktiv ist, nicht zuletzt für den Coolness-Gewinn vieler Modehäuser und -labels.

Doch hier gilt das umgekehrte Prinzip: Wo die gerade nach Frankfurt verlegte Fashion Week pandemiebedingt fast ausschließlich digital stattfindet, bietet der Kunstverein Familie Montez gerade eine der raren Gelegenheiten, neue Mode im realen Raum anzusehen. Und Malerei obendrein. „Palindrome“ heißt die Kunst- und Modenschau, die Nina Holleins „Suit Up“-Kollektion mit großformatigen Leinwänden von Philipp Schweiger zusammenbringt.

Vereinsmitbegründer Mirek Macke, der einst bei Hermann Nitsch an der Städelschule studierte und inzwischen einen ähnlichen Rauschebart wie der österreichische Orgien-Mysterien-Theatermacher trägt, hat die beiden Zwillingsgeschwister in den Off-Space eingeladen, der nach dem erzwungenen Auszug aus Abrissräumen nun dauerhaft unter der Honsellbrücke Quartier bezogen hat.

Die Ausstellung

„Palindrome – Mode und Malerei“, bis 25. Juli, Kunstverein Familie Montez e. V., Frankfurt am Main

Macke bewundert die Kreationen von Hollein, die er noch aus deren Frankfurt-Zeit kennt, bevor sie vor fünf Jahren mit ihrer Familie in die USA zog. Für die Face­bookseite des Kunstvereins trägt er selbst Nina Hollein, ein transparentes Kleid mit gigantisch schwingenden Säumen und Trompetenärmeln.

Aus Anzugjacken werden Röcke und Kleider

Der Ausstellungstitel ließe sich auch gut als Holleins Arbeitsprinzip verstehen – ihre Mode ist drunter & drüber, durch Reißverschlüsse oder Bindungen oft multifunktional und teils in einer gewissen Größenspanne tragbar; männlich konnotierte Anzugjacken werden zu weiblich konnotierten Röcken und Kleidern.

Verwertet, was übrig bleibt, hat die gebürtige Architektin früher schon. Aus Tüllresten wurden transparente Oberteile, die sie in ihrem Frankfurter Ladengeschäft verkaufte. Hinzu kamen grobe Karostoffe aus dem österreichischen Mühlviertel, ursprünglich für Laken und andere Gebrauchstextilien eingesetzt, die sie erst zu praktischer Kindermode und später auch zu Kleidung für Erwachsene umgestaltete.

Für ihre Kollektion im Kunstverein hat Hollein nun unter anderem auch auf den eigenen Familienfundus zurückgegriffen. Nichts, sagt die Designerin, sei neu gekauft worden. Ein Meer aus weißen Hemdresten stellt die Bühne, Utility- und Anzug-Stoffe samt Knöpfen und Kragen werden zum Material für neue Entwürfe.

Stücke erinnern an japanische Modeschöpfer

Selbst wetterfeste Steppdaunen schneidert sie zu zarten Röcken, mit allerdings ziemlich skulpturalen Qualitäten. Stellenweise erinnert das ein wenig an die großen japanischen Modeschöpfer, die mit einer ähnlichen Noblesse Schnitte kreuz und quer verlegen und Nähte offen darbieten. „Undercover“ beispielsweise zeigte 2006/2007 Stücke, die aus mehrfach um ihre Trägerin gewickelten Anzugresten bestanden. Hinzu kommen, siehe Mackes Facebook-Beitrag, ebenso wandelbare Chiffon-Kleider.

Apropos Tragbarkeit: Auch die Designerin selbst trägt gern Nina Hollein; besonders extravagante Kreationen zum Beispiel zur Eröffnung der jährlichen Met-Gala, an der Seite von Ehemann Max Hollein, der seit 2018 Direktor des austragenden Metropolitan Museum of Art ist.

Wörtlich eingerahmt wird die Mode von Philipp Schweigers Malereien, die entfernt an einen wolkenverhangenen Himmel oder an sich auflösende Vergrößerungen grün-gräulicher Naturbilder erinnern. Sicher in die abstrakte oder figürliche Schublade einsortieren lassen sich die Gemälde des ausgebildeten Bildhauers, der bei Tony Cragg in Düsseldorf studierte, nicht.

Ungleiches Doppel oder natürliche Symbiose? Um Hierarchien zwischen beiden Medien muss man sich an diesem Präsentationsort glücklicherweise weniger Gedanken machen. Sagt eine ältere Besucherin, offenbar Stammgast im Montez, vom Seitenrand anerkennend zu ihrer Freundin: „Ach, ich betrachte das hier eh alles als Kunst.“

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