Behörden sollen Büroflächen verkleinern: Platz ist in der kleinsten Hütte
Die Stadt Hamburg setzt erneut an, ihre behördlichen Büroflächen zu verkleinern. Personal und Gewerkschaften fühlen sich vor den Kopf gestoßen.
Die Idee stammt bereits aus dem Jahr 2011, auch wenn sie durch die Coronapandemie nun erneut an Fahrt gewinnt. Damals forderte der Senat eine „messbare Büroflächenreduzierung“, um die Mietkosten für Behördengebäude zu verringern. Dass viele Stadtimmobilien in den 2000er-Jahren durch den CDU-geführten Senat verkauft wurden, hat zu erheblichen Bürokosten geführt – jährlich mehr als 150 Millionen Euro. Eine Richtlinie sollte darum die physischen Arbeitsplätze begrenzen, wobei neben dem durch die Tätigkeit vorgegebenen Bedarf auch die behördeneigene Hierarchie Berücksichtigung finden soll: von acht Quadratmetern für Mitarbeitende in Gruppenräumen bis zu 24 für Amtsleitende.
Damals noch zuständiger Finanzsenator, sollte Peter Tschentscher (SPD) Flächenansprüche einkürzen, um die Haushaltsausgaben um rund 20 Millionen Euro zu drücken. Die Finanzbehörde ging selbst voran und zog ihre 840 Mitarbeiter:innen in Gebäude am Gänsemarkt und Große Bleichen zusammen – inklusive Gruppenbüros für sechs Personen.
Abgeschlossen wurde der Sparplan nicht. Auf einer Pressekonferenz bei der Immobilienfirma Sprinkenhof sagte der jetzige Finanzsenator Dressel nun, das Sparen müsse wieder in den Vordergrund rücken, denn: „Corona hat Löcher in den Haushalt gerissen.“ Andersherum heißt es aus der Finanzbehörde, dass die Pandemie die Erkenntnis gebracht habe, „dass Homeoffice eine gut funktionierende Alternative zum Arbeiten im Büro ist“. Das Immobilien-Service-Zentrum der Sprinkenhof GmbH berät aktuell vier Bezirksämter und vier Behörden bei der Umsetzung von Konzepten wie „Desksharing“, um die durchschnittliche Nutzungsfläche doch noch auf die vom Senat geforderten 28 Quadratmeter zu senken.
Wilfried Kühn, Berzirksamt Hamburg-Harburg
Für das behördliche Personal sind solche Aussagen empörend: „Fast niemand hat ein Büro mit 30 Quadratmetern, das ist fernab der Realität“, sagt der stellvertretende Personalrat des Bezirksamts Hamburg-Harburg, Wilfried Kühn. Tatsächlich meint die „durchschnittliche Büromietfläche“ von 32 Quadratmetern aber auch nicht allein die eigentlichen Arbeitsräume. Sie berücksichtigen anteilig etwa auch Keller-, Boden- und Sonderflächen, sowie die Sanitärbereiche.
Wilfried Kühn fragt weiter, ob dieser „Wegfall des Statussymbol Einzelbüro“ eigentlich auch für die politische Führung gelten solle. „Anstatt eine Verhandlungsgrundlage auf Augenhöhe zu schaffen, verstärken diese Äußerungen Ressentiments gegen Beamte“, so Kühn weiter. Generell sei durchaus Potential in der Umnutzung der Räumlichkeiten, aber „von oben herab“ über die Situation in den Büros zu sprechen, sei nicht akzeptabel. Transparenz und Partizipation seien dafür unerlässlich. Die Beschäftigten müssten schließlich auch „mitgenommen“ werden.
Auch bei Ver.di ist die Stimmung schlecht. Die Dienstleistungsgewerkschaft und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordern seit drei Jahren eine Vereinbarung zu Mobiler Arbeit und begrüßen grundsätzlich, dass die Verhandlungen aufgenommen werden. Aber: „Noch vor den Verhandlungen den Fokus auf Einsparung und nicht auf Modernisierung zu legen, ist nicht in Ordnung“, sagt Gewerkschaftssekretärin Sabine Meyer. Es gehe immerhin um die Arbeitsräume von Menschen. Die Arbeit aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei strukturerhaltend gewesen – wenn auch aus Sicht der Finanzbehörde vielleicht nicht genug, um selbstverantwortlich die Tür im eigenen Büro schließen zu dürfen.
Laut Finanzbehörde geht es bei der Durchschnittszahl allerdings ohnehin vor allem darum, weiteres Wachstum der Flächen auszubremsen, als Rückbau zu betreiben. Alte Gebäude wie am Gänsemarkt oder das Rathaus Altona ließen sich ohnehin nicht nach heutigen Maßstäben optimal nutzen. Außerdem sei auch zu berücksichtigen, dass weite Teile des öffentlichen Dienstes ohnehin nicht im Homeoffice arbeiten könnten – etwas die Polizei oder die Feuerwehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen