piwik no script img

Hochwasserschutz in HamburgSturmfluten als Gefahrenquelle

Nicht nur das Überlaufen der Elbe kann in Hamburg Fluten auslösen, sondern auch Binnenhochwasser und Starkregen. Darauf bereitet sich die Stadt vor.

Kommt heute schon vor: Hochwasser am Hamburger Fischmarkt Foto: Achim Duwentäster/teamwork/imago

Hamburg taz | Wolkenbrüche und Dauerregen – Hamburg stellt sich darauf ein, in Zukunft mit intensiveren Niederschlägen und steigendem Hochwasser fertig werden zu müssen. Dabei haben die Behörden und Institutionen mit ganz unterschiedlichen Baustellen zu tun – und dafür zum Teil überraschende Lösungen gefunden.

Die größte Bedrohung, der die Stadt ausgesetzt ist, sind nicht Sturzfluten, wie sie im Westen Deutschlands halbe Dörfer weggerissen haben, sondern Sturmfluten, bei denen der Wind und die See das Wasser in die Elbe drücken. Der Senat hat die Deiche so weit erhöht, dass sie eine Sturmflut, die Stand heute nur alle 200 Jahre vorkommen dürfte, abfangen können. Steigt das Wasser jedoch höher als 7,62 Meter am Pegel St. Pauli, säuft halb Süderelbe ab – vom Alten Land über Wilhelmsburg bis einschließlich der Vier- und Marschlande.

Eine weitere Bedrohung geht von Binnenhochwässern aus, die die vielen Flüsse und Flüsschen im Stadtgebiet anschwellen lassen können. Hierfür hat der Senat auf eine Vorgabe der EU hin Überschwemmungsgebiete ausgewiesen – Areale, die statistisch alle 100 Jahre einmal überflutet werden. Um Schäden zu vermeiden und den Abfluss nicht zu behindern, darf hier nicht neu gebaut werden. Zudem darf hier nichts gelagert oder produziert werden, was das Wasser verunreinigen könnte.

Starker anhaltender Regen lässt aber nicht nur Flüsse über die Ufer treten, sondern in erster Linie die Siele – also Abwasserleitungen. „Starkregenereignisse“ stellen laut der Risikobewertung des Senats anders als Hochwasser ein generelles Risiko dar. Sie könnten „grundsätzlich überall auftreten, die Wahrscheinlichkeit des Eintretens für einen spezifischen Ort kann jedoch nicht hinreichend statistisch abgesichert angegeben werden“.

Überlaufende Siele

Um damit klar zu kommen, hat der städtische Ver- und Entsorger Hamburg Wasser (HW) zusammen mit Wissenschaftlern einen Starkregenindex entwickelt. Er zeigt in einem 500-Meter-Raster in Echtzeit an, wie viel Niederschlag an einem Tag gefallen ist. Dabei ergibt ein Blick in die archivierten Daten, dass schon das regionale Wetter stark ausdifferenziert ist.

Vorsicht ist besser als Nachsicht: Hochwasserschutzwand im Hafen Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Der Index ist in zwölf Stufen eingeteilt, die wiederum bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeiten entsprechen. Stufe eins und zwei kommen rechnerisch mindestens alle fünf Jahre vor. Auf sie ist die Kanalisation ausgelegt. Ole Braukmann, Sprecher von Hamburg Wasser, drückt es anders aus: „Wenn eine bestimmte Heftigkeit überschritten wird, sind wir aus der Haftung entlassen.“ Grundstückseigentümer können auf einer Starkregengefahrenkarte nachsehen, ob sie handeln müssen.

Weil der Klimawandel starke Regengüsse wahrscheinlicher werden lasse, müsse dieser Maßstab nach oben angepasst werden, sagt Wolfram Hammer vom Umweltverband BUND. Die EU sieht das genauso, weshalb die Umweltbehörde das Risiko als Kombination von Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichem Schaden alle sechs Jahre neu bewertet. Die Daten des Starkregenindex zeigen, dass die Ereignisse der Stufen 0,5 und eins in den Jahren 2000 bis 2010 leicht zugenommen haben. Die Daten für das vergangene Jahrzehnt werden gerade ausgewertet.

Zum Klimawandel komme als verschärfender Faktor das Wachstum der Stadt mit der damit einher gehenden Bodenversiegelung, sagt HW-Sprecher Braukmann. Um die Siele weniger zu belasten, wird deshalb versucht, das Wasser vorher abzuleiten.

Im Heinz-Klink-Stadion in Billstedt hat HW zusammen mit verschiedenen Behörden die Sanierung des Stadions genutzt, um Speicherkästen unter die Tartanbahn zu setzen, die überschüssiges Wasser auffangen und versickern lassen.

Und im Bauprojekt Jenfelder Au wird das Regenwasser nicht in die Siele geleitet, sondern in Gräben und in einen zentralen See. „Wir haben ja nicht nur die Starkregenereignisse, sondern auch Trockenphasen“, sagt Braukmann.

Die Projekte gehören zu einem bis 2030 laufenden Programm des Senats, das volllaufende Keller und Garagen verhindern soll.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ab wie viel Grad Erderwärmung und Meeresanstieg ist Hamburg eigentlich nicht mehr zu retten?

    • @Frederik Nyborg:

      Laut Wikipedia liegt Hamburg 6 m über dem Meeresspiegel. Und im Wikipedia-Artikel über die Folgen der globalen Erwärmung heißt es: "Nach verschiedenen Szenarien des IPCC werden bis 2100 Anstiege zwischen 0,40 m bei strengem Klimaschutz und 0,67 m bei weiter steigenden Emissionen (Business as usual) gegenüber dem Stand der 1990er Jahre erwartet." (Link: de.wikipedia.org/w..._der_Meeresspiegel ) Da haben Sie also noch ein wenig Zeit, Hamburg zu retten.

      • @Budzylein:

        Wenn Grönland abschmilzt, soll wohl bei sehr negativen Prognosen bis 2050 sogar ein Meeresanstieg von 7 Metern erfolgen. Dann sollte also Hamburg aufgegeben werden! Na dann bleibt mal wieder nur zu hoffen, dass es nicht so schlimm wird. …