: Kinderschutz zum Abrechnen
Nachdem der Bundestag im Juni das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz verabschiedet hat, müssen die Länder es jetzt umsetzen. Das kostet Zeit – und Geld
Von Eiken Bruhn
Auf das Bremer Jugendamt und die privaten Träger in der Kinder- und Jugendhilfe kommt wegen des im Juni vom Bundestag beschlossenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz eine Menge zusätzlicher Arbeit zu. Das sagte Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen) am Donnerstag bei einem Pressegespräch.
Das Gesetz sei sehr gut, um die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Hilfssystem zu stärken, sagte Stahmann. Bremen habe sich insbesondere dafür eingesetzt, dass die Bedarfe behinderter Kinder stärker als bisher berücksichtigt werden. Auch die Vorgabe, wohnortnahe Präventionsmaßnahmen anzubieten, sei ein Bremer Anliegen in der acht Jahre andauernden Diskussion um das Gesetz gewesen. „Gewünscht hätten wir uns, dass der Bund uns auch das Geld gegeben hätte, das Gesetz in Bremen und Bremerhaven umzusetzen“, so Stahmann. Denn jetzt müssten im laufenden Betrieb eine Reihe von Prozessen angepasst werden. Teurer wäre allerdings gewesen, auf das Gesetz zu verzichten, sagte Stahmann. „Ein guter Kinderschutz erspart Schicksale, deren Folgen die Gesellschaft auch viel kosten.“
Ein Punkt betrifft etwa die Betreuungsmöglichkeiten von 18- bis 21-Jährigen. Bisher sei es so gewesen, dass diese, wenn sie beispielsweise aus einer betreuten Wohngruppe auszogen, sich die Rückkehr verwirkt hätten, sagte Stahmann. Jetzt hätten sie die Möglichkeit, wieder zurückzuziehen, wenn sie merkten, dass sie doch noch nicht so selbständig leben können, wie sie dachten. Ausgearbeitet werden müsse jetzt unter anderem, wie diese jungen Menschen von ihren ehemaligen Betreuer*innen kontaktiert werden, sagte Rolf Diener, Leiter der Abteilung Junge Menschen und Familie bei der Sozialsenatorin.
Eine aus Sicht der Sozialsenatorin wichtige Neuerung betrifft die verbesserte Zusammenarbeit mit Ärzt*innen. Diese sollen jetzt mit den Krankenkassen abrechnen können, wenn sie mit dem Jugendamt kooperieren, etwa an Fallkonferenzen teilnehmen, bei denen sich diejenigen austauschen, die mit einer Familie Kontakt haben. „Das ist bisher Ehrenamt“, sagte Stahmann.
Anja Stahmann, Sozialsenatorin
Neu sei außerdem, dass auch jene Elternteile an Hilfeplanungen für Kinder und Jugendliche beteiligt werden müssen, die kein Sorgerecht für diese haben. Entscheiden dürften sie nichts, so Rolf Diener. Aber es sei im Interesse der Kinder, auch Elternteile anzuhören, mit denen sie im Augenblick vielleicht keinen Kontakt haben wollen. „Das kann sich auch wieder ändern, und auch Eltern, zu denen Kinder eine schwierige Beziehung haben, bleiben wichtig für sie.“
Auch die Rechte von Kindern und Jugendlichen, die in Heimen und in Pflegefamilien leben, soll das neue Gesetz verbessern. Sie sollen sich an unabhängige Ombudsstellen wenden können. In Bremen gebe es eine solche bereits, sagte Stahmann, für Bremerhaven müssen sie noch geschaffen werden.
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