: Wie Don Camillo ein großes Fass aufmachte
WEIN Winzergenossenschaften produzieren knapp ein Drittel aller deutschen Weine. Das Modell begann im 19. Jahrhundert als Überlebenskampf: um Qualität zu fairen Preisen offerieren zu können
Aktuell existieren in Deutschland 202 Winzergenossenschaften, die mit rund 3 Millionen Hektoliter Wein knapp ein Drittel aller deutschen Weine produzieren. Zum Vergleich: In Italien stammen sogar 50 Prozent aller Weine aus den „Cantina Sociales“. 32.000 Hektar Weinberge werden in Deutschland genossenschaftlich bewirtschaftet, der Großteil davon im sogenannten Nebenerwerb.
Die Genossenschaft „Haltinger Winzer“ am Kaiserstuhl vertritt 60 Weinbauern auf 48 Hektar Fläche. „Bei solchen Größenordnungen lohnt es sich für die meisten Winzer nicht, wenn sie eigene Maschinen, Pressen oder Tanks anschaffen müssen“, sagt Kellermeister und Geschäftsführer Markus Büchin. Und so werden sowohl eigene Weine der Winzer als auch gemeinschaftliche Cuvées wie zum Beispiel der häufig angebaute „Gutedel“ gekeltert.
Abnahme garantiert
10 Prozent der Ernte sind „bio“ und erfüllen die strengen Ecovin-Vorschriften. „Tendenz steigend“, so Büchin. Sie werden separat verarbeitet. Die Genossenschaft garantiert die Abnahme der angemeldeten Traubenmengen, berät die Weinbauern vor Ort, kümmert sich um die Qualitätskontrolle vor und nach der Ernte und kümmert sich vor allem um die Vermarktung. Eine zeitaufwendige Arbeit, die die meisten Winzer gern abgeben.
Winzergenossenschaften haben Tradition in Baden. Ausgerechnet der katholische Pfarrer Heinrich Hansjakob war es, der 1881 die Gründung der ersten Winzergenossenschaft in Hagnau am Bodensee initiierte. Als damals die Winzer ihren Wein zum Spottpreis von 15 Pfennig je Liter verkaufen müssten, rief der Dorfpfarrer zur Gründung des Winzervereins auf, der bis heute sein Porträt im Logo trägt. Hansjakob war ein badischer Don Camillo – ein konservativer Landtagsabgeordneter, Volksdichter, Gesundheitsprediger und dazu Vater von vier unehelichen Kindern.
Kleine, unrentable Ertragsflächen, die Liberalisierung der Märkte und billige Importe führten zum Niedergang des Weinbaus. Die Produzenten reagierten darauf, indem sie sich zusammenschlossen.
Der Erfolg der Genossenschaft war die beste Propaganda. Rund 70 Jahre später gab es in der Region über 100 Winzergenossenschaften. 1954 wurde der „Badische Winzerkeller“ in Breisach zur landesweiten Zentralkellerei umgewandelt, die heute mit über 6.000 Winzern zusammenarbeitet. Die daraus resultierende Zentralisierung in der Preisgestaltung und im Marketing gefällt längst nicht mehr allen Genossenschaftlern. Gerade jüngere Winzer mit hohen Ansprüchen oder die Ökoweinbauern suchen neue Formen der Vermarktung: von der direkten Kundenbetreuung bei Messen und auf Märkten bis zu Onlineshops.
Kellermeister Büchlin aus Haltingen glaubt, dass die Idee von der Genossenschaft dennoch Zukunft haben wird: „Schon wegen des Preisdrucks kommt kein kleiner Winzer daran vorbei.“ Das klingt fast genau wie vor 130 Jahren. MICHAEL PÖPPL
■ Haltinger Winzergenossenschaft: www.wg-haltingen.de
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