Solidarischer Klimaaktivismus: „Gegen Gewalt solidarisieren“
In Brandenburg kooperiert der BUND mit den neuen Formen des Klimaaktivismus, erklärt Axel Kruschat vom BUND Brandenburg.
taz: Herr Kruschat, die Klimagerechtigkeitsbewegung mit Initiativen wie Ende Gelände, Fridays for Future (FFF) und Wald statt Asphalt bearbeitet das gleiche politische Feld wie die traditionellen Umweltverbände, allerdings häufig mit anderen Aktionsformen. Wie geht das zusammen?
Axel Kruschat: In Potsdam gibt es zum Beispiel eine enge Kooperation der FFF-Gruppe mit der BUND-Jugend und wir bieten Räume und andere Infrastruktur. Der Unterschied in den Aktionsformen ist gar nicht so groß: Wir machen Demonstrationen, die machen Demonstrationen und wir unterstützen uns. Bei FFF ist die Arbeit in Gremien, da, wo man hinter die Kulissen guckt, konkrete verbindliche Schritte aushandeln und sehr genau prüfen muss, worum es im Detail geht, noch nicht so ausgeprägt. Das fängt gerade erst an und muss noch stärker werden, damit nicht die Gefahr besteht, vereinnahmt zu werden. Als Beispiel wieder Potsdam: Die Stadt hat unter anderem auf Anregung von FFF und inspiriert von den Demonstrationen den Klimanotstand ausgerufen. In der Stadtpolitik ändert sich dadurch konkret aber erst mal gar nichts.
Axel Kruschat, Jahrgang 1970, ist seit seinem 14. Lebensjahr im Naturschutz aktiv. In der DDR war er im Kulturbund und der Umweltbewegung unter dem Dach der evangelischen Kirche aktiv. Nach der Wende engagierte er sich im BUND. Seit 2003 ist er Geschäftsführer beim BUND Landesverband Brandenburg. (aje)
Das heißt, die Aktivist:innen könnten sich mit Symbolpolitik abspeisen lassen, ohne es zu merken.
Ja. Krassestes Beispiel ist aktuell, dass die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung den Klimanotstand beschließt, aber die Stadtwerke für den neuen Stadtteil Krampnitz ein Erdgaskraftwerk planen, das für die nächsten 30 Jahre im Wesentlichen fossil betrieben werden wird. Es war ein großer Erfolg, dass Potsdam den Klimanotstand ausgerufen hat, jetzt müssen wir aber dafür sorgen, dass wirklich etwas passiert. Damit meine ich uns alle. Das schönste Klimaschutzziel nützt überhaupt nichts, wenn keine verbindlichen Maßnahmen beschlossen werden, mit denen es erreicht werden kann. Wir müssen uns verhalten wie bei einem Vertragsabschluss, mit sehr viel Misstrauen vor allem gegenüber dem Kleingedruckten. Auch der Druck von der Straße durch die neuen Bewegungen muss von den großen Formeln wegkommen hin zu konkreten Forderungen.
Zurück zu den Aktionsformen: Ende Gelände war bis Ende 2019 in der Lausitz mit Blockaden und Besetzungen aktiv. Wie passt das mit der Politik eines Umweltverbandes zusammen?
Es gab ja nicht nur Tagebaubesetzungen, sondern auch Demos – ganz klassisch – und auf diesen Demos waren wir auch und das hat gut zusammen funktioniert. Als Umweltverband können wir natürlich nicht zu einer Besetzung oder Blockade aufrufen. Das sind Regelbrüche, die mit der Organisationsform des Verbandes nicht vereinbar sind.
Die Stimmung in der Lausitz war und ist ja sehr polarisiert und der BUND bleibt nach so einer Besetzung zurück als verhandelnder Umweltschutzverband. Ist das ein Problem?
Zuerst einmal hat das einen unglaublichen Schub an Selbstbewusstsein gebracht. Die Aktionen haben starke Aufmerksamkeit erzeugt und dazu beigetragen, dass die Klimaproblematik ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Und zu Ihrer Frage: Es ist nicht so, dass Ende Gelände gekommen ist und dann war alles polarisiert, sondern das war vorher schon so. Bei allen Veranstaltungen, die wir über Jahre in der Lausitz gemacht haben, gab es Gegendemonstrationen von der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie. Da musste man durch Spaliere von Kohlekumpeln laufen, das war nicht fein. Die fortschreitende gesellschaftliche Polarisierung liegt vor allem an dem enormen Vertrauensverlust in die Landespolitik, die viel zu lange und wider besseren Wissens beteuert hat, an der Seite der Kumpels – wie es immer hieß – den Tagebau zu erhalten.
Stellen Sie fest, dass die Auseinandersetzung rauer geworden ist? Gegen das Waldcamp #Monibleibt an der A14-Trasse gab es jüngst massive Bedrohungen und Gewalt bis hin zu einem Brandanschlag auf einen Treffpunkt von Autobahngegner:innen.
Die Auseinandersetzungen waren schon immer sehr handfest. Wenn Sie als Naturschützer mit Kohlekumpeln, Bauern oder Wolfsgegnern diskutieren, gibt es immer wüste Beschimpfungen bis hin zu verbalen Drohungen. Bei einem der Klimacamps in der Lausitz gab es auch einen Vorfall mit Neonazis. Neu ist, dass an der A14 tätlich angegriffen wird. Ob das der politischen Gemengelage vor Ort geschuldet ist oder der Anfang einer verallgemeinerbaren Zuspitzung, wird sich zeigen. Gegen diese Gewalt muss man sich ohne Wenn und Aber solidarisieren. Inhaltlich halte ich die Proteste gegen die A14 zum jetzigen Zeitpunkt allerdings für verfehlt. Kein Mensch braucht diese Autobahn – keine Frage, und wir haben lange dagegen gekämpft. Erfolglos. Aber jetzt sind nur zwei Bauabschnitte noch nicht gebaut. Deren Bau wird sich meiner Meinung nach nicht mehr verhindern lassen. Man muss sich auf die Sachen konzentrieren, die funktionieren können. Das gilt für die gesamte Klimabewegung. Das gemeinsame Ziel ist ein Moratorium für den Straßenbau und eine Anpassung des Bundesverkehrswegeplans an die Klimaerfordernisse. Zuständig dafür ist der Bundestag. Dafür muss man vor allem in Berlin demonstrieren. Da fallen die Entscheidungen.
Was ist Ihrer Meinung nach beim Straßenbau aktuell ein lohnendes Ziel?
Die Verhinderung des Ausbaus der B96 zu einer Schnellstraße, die von Berlin nach Neustrelitz und dann weiter an die Ostsee führen soll. Die Pläne sind noch nicht so weit gediehen, die Umsetzung kann man noch verhindern. Alles ist hier ähnlich wie bei der A14: niemand braucht diese Schnellstraße, die Strecke ist bereits mit Autobahnen versorgt. Die Trasse zerschneidet diverse Schutzgebiete wie den Naturpark Stechlin/Ruppiner Land und geht völlig an den regionalen Mobilitätsbedarfen vorbei. Riesige Flächen werden neu versiegelt und allein beim Bau jede Menge CO2 in die Atmosphäre gelassen.
Würden Sie sich über eine Waldbesetzung an der B96-Ausbautrasse freuen?
Auf jeden Fall.
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