Summer Special der Berlinale: Luftiger Aufbruch ins Unbekannte
Die Freiluftberlinale endete mit der Premiere der Satire „Der Betatest“. Die Regisseure des Films lieferten Einblicke in den Filmkosmos Hollywoods.
Zum zweiten Mal hat die Berlinale Glück gehabt. Das erste Mal liegt schon etwas zurück, im vergangenen Jahr war das, als das Filmfestival dem bundesweiten Lockdown im März knapp entging. Jetzt war es das Wetter, das dem „Summer Special“ der Berlinale warme Nächte bescherte, nachdem sich das Festival gezwungen gesehen hatte, die Ausgabe zu teilen und das Publikum auf ein Freiluftkinoprogramm im Juni zu vertrösten.
Mit ihrer Open-Air-Lösung ist die Berlinale zu den Anfängen der Filmfestivals zurückgekehrt: Schon die älteste Leistungsschau dieser Art, die Mostra internazionale d’arte cinematografica di Venezia, beging ihre erste Ausgabe 1932 auf der Terrasse des Hotel Excelsior auf dem Lido. Die Beschränkungen, die das mit sich bringt, bedeuteten eine deutlich entspanntere Berlinale ohne das gewohnte Hetzen von einem Kino ins nächste.
Auch die Einschätzung des künstlerischen Leiters Carlo Chatrian, dass die Leute nach der langen Zeit in den eigenen vier Wänden lieber die Sterne als ein Dach über dem Kopf wollten, erwies sich als zutreffend. Die Kartenverkäufe liefen gut, der Wunsch nach gemeinsamen Filmerlebnissen ist weiter vorhanden.
Unter die Freude über das günstige Klima mischt sich andererseits die Einsicht, dass dies gleichwohl eine Notausgabe der Berlinale blieb. Gut 160 Filme statt der üblichen knapp 400 bot das abgespeckte Programm, 60.000 Tickets gab es zu kaufen, sonst waren es um die 300.000.
Neue Bedingungen für die Filmindustrie
Die Krise des Kinos endet nicht mit der im Juli anstehenden Öffnung der Säle, die Berlinale setzte da unfreiwillig ein zwiespältiges Signal: Zwar geht es wieder los, doch unter welchen Bedingungen die Filmindustrie weitermacht, wie sich die Koexistenz von Kinos und Streamingdiensten in Zukunft gestaltet, muss sich noch erweisen.
Da passte es, dass die einzige echte Premiere – ohne digitales Steaming vorab für die Presse – im zweiten Teil der Berlinale, der US-amerikanische Spielfilm „Der Betatest“ von Jim Cummings und PJ McCabe in der Sektion „Encounters“ sich in satirischer Absicht der alltäglichen Hölle des Hollywood-Betriebs annahm.
Die beiden zur Premiere am Freitag angereisten Regisseure Cummings und McCabe bekannten, es sei eine großartige Zeit, um unabhängiger Filmemacher zu sein, denn das alte Hollywoodsystem mit seinen Studios breche gerade zusammen und man habe gute Chancen, wenn man mit einer Drehbuchidee zu Netflix gehe, dass der Streamingdienst den Film produziere.
In „Der Betatest“ spielt Cummings die Hauptrolle des Talentagenten Jordan Haynes und McCabe eine tragende Nebenrolle als dessen Geschäftspartner. Hintergrund ihrer Geschichte ist ein Hollywood-interner Streit um die Rechte von Drehbuchautoren, der so weit ging, dass deren Gewerkschaft, die Writers Guild of America, 2019 eine Klage gegen vier große Filmagenturen und deren Praxis des „Film Packaging“ von Agenturen angestrengt hat. Kurz gesagt, so Cummings, wollen die Agenturen gegenüber den Filmproduktionsfirmen inklusive Autoren das Sagen haben, auch bei der finanziellen Beteiligung.
Hauptsache oben
Dieser Streit ist verdichtet in der Figur von Jordan Haynes, den Cummings mit paranoid blitzenden Blicken und eckiger Körpersprache als den Inbegriff von skrupellosem Gewinnstreben und maximaler Schmierigkeit spielt. Kino ist ihm im Grunde egal, Hauptsache, er ist oben.
In „Der Betatest“ wird ihm die Einladung zu einem anonymen Rendezvous in einem Hotel zum Verhängnis. Das ist mitunter drastisch und überdreht, in der Darstellung des Alltags von Hollywoodagenturen und dessen, was Angestellte dort erleiden müssen, aber, so die Regisseure, lediglich der normale Wahnsinn, wie er sich in ihren Recherchen präsentiert habe.
Die Krise Hollywoods, so eine Botschaft von „Der Betatest“, birgt Chancen auf Verbesserung.
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