Nachtleben in Berlin: Aus dem Winterschlaf in den Rave

Seit Freitag darf in den Berliner Clubs wieder getanzt werden. Auch illegale Partys in Parks sind weiterhin gut besucht.

Techno-Djane legt Platten auf einem Mischpult auf

DJ Reka Zalan im Berliner Techno-Club://about blank Foto: Emmanuele Contini

Das Partywochenende beginnt am Freitag, 18 Uhr. Die Sonne brennt immer noch so stark als wäre es mittags. Vor dem Club://about blank in Friedrichshain hat sich eine Schlange formiert, die erst kurz vor dem Ostkreuz endet.

Hunderte von Menschen haben sich nach der 15-monatigen Zwangspause das erste Mal vorm Club versammelt. Der Ansturm ist stark, auch wenn ein paar Dinge anders sind als früher. Leicht versteckt, abseits vom Gehweg, gehört jetzt ein Coronatestzelt zum Inventar. Denn wer rein will, braucht einen Nachweis, muss negativ getestet, geimpft oder genesen sein.

In der Gartenoase lassen blühende Holunderbüsche und viele weitere Bäume und Sträucher die Sonne nur noch durchblinzeln, ich atme durch. Elektronische Musik bringt die ersten Gäste dazu, sich wie in Trance zu wiegen. Von den Strandstühlen, Sitzpaletten und Bierbänken gehen erste Sektkorken hoch.

Silvester im kleinen Sinne

Mitten im Geschehen, zwischen Diskokugel und einem Ventilator, feiern die DJs ihr Comeback. Resident DJ Reka Zalan spricht von „Silvester im kleinen Sinne“. Endlich wieder auflegen für viele Menschen, fernab von Kamerasets. Es ist, als sei die Lebensrealität der Menschen hier monatelang weggesperrt gewesen. Nun kann sie endlich wieder existieren.

Es zählt der Moment der Extase. Auch das Verbot zu fotografieren machen Clubs wie diesen zu Safespaces, zu Orten, an denen Menschen, die sich sonst diskriminiert oder marginalisiert fühlen, Rückzug finden. Die drei Schwestern Catha, Jojo und Caro, die vor einem knallroten, mit Stickern verzierten Wohnwagen chillen, kommen zu einem ähnlichen Fazit. Bis zum heutigen Freitag haben sie auf das Feiern gehen hingefiebert. „Das ist der Club, in dem wir am allerhäufigsten waren, gerade weil wir es schätzen, dass es so ein feministischer und politischer Club ist.“

Die Menschen hier haben gute Laune, auch wegen der gelockerten Co­ro­na­maßnahmen. Wenn zuvor irgendwo anders geraved wurde, war das ein Ausreißer. Die meisten, die ich spreche, haben während der vergangenen Zeit viel nachgedacht. Eine Frau, die gerade tanzt, berichtet, dass bei Bekannten von ihr die Drogen überhand genommen und sie aus dem Leben katapultiert hätten. Während Drogen vorher nur im Clubkontext genommen wurden, gehören sie jetzt zum Alltag. Die Musik habe gefehlt, genauso wie das unbeschwerte Tanzen.

Vor den frisch mit Bier und Limo befüllten Kühlschränken, strahlt mir Lui­sa mit großen Augen entgegen. Sie ist hier Barfrau und heute das erste Mal wieder mit am Start. „Es ist ein bisschen wie Autofahren mit den Getränkepreisen, die ich nach der Pause wieder neu erlernen musste.“ Viele Getränke gehen über die Theke, auch gibt es mehr Trinkgeld als zuvor.

Langsam rantasten

Doch trotz der großen Freude, wieder hier zu sein, wirken die meisten noch etwas verhalten. So, als müssten sie sich an die Normalität erst langsam wieder rantasten.

Etwas weniger verhalten geht es in der Hasenheide zu, zumindest wenn man den Medienberichten Glauben schenkt. Dank des warmen Wetters strömen nun wie im vergangenen Jahr jedes Wochenende Tausende Menschen in den Park, um mit meist batteriebetriebenen Boxen improvisierte Partys zu feiern.

Nun, wo legales Feiern wieder möglich ist, werden auch die berüchtigten illegalen Raves in den Parks der Hauptstadt bald der Vergangenheit angehören, so die Theorie. Grund genug für einen Besuch.

Erstmal Ernüchterung

Es ist Samstagabend kurz vor elf Uhr, die Luft ist schwül und drückend. Eine nicht zu übersehende Spur aus Glasscherben und angetrunken Menschen weist mir den Weg in die Hasenheide. Zum Rave kann es also nicht weit sein. Doch in der Dunkelheit der unbeleuchteten Grünanlage macht sich erst einmal Ernüchterung breit: Auf der ausgetrockneten Wiese sitzen nur vereinzelte Menschengrüppchen, keine Party weit und breit.

Im Ostteil des Parks werde ich dann fündig; mehrere hundert Menschen sitzen auf der Wiese. Überall sind kleinere Lichtinstallationen zu sehen; geschäftstüchtige Getränkehändler verkaufen Bier von ihren Lastfahrrädern. Etwa 50 Menschen tanzen dicht gedrängt ohne Masken um eine Box mit Lichteffekten. Die Musik ist sehr leise; kaum hörbar außerhalb der Menschentraube. Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen, es läuft „Hit me baby one more time“ von Britney Spears, die Feiernden singen enthusiastisch mit.

„Es ist immer eine sehr friedliche Atmosphäre hier“, erzählt mir Max, der seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Der 22-jährige Auszubildende kommt schon seit mehreren Wochen in den Park zum Feiern. „Am Ende wird man eine richtige Gruppe, mit der man sich verbunden fühlt.“ Stören würde nur die Polizei, deswegen sei auch die Musik so leise. Klar, er könne verstehen, warum größere Ansammlungen noch verboten seien. „Aber ein bisschen Freiheit muss man den Leuten schon gönnen.“ Soziale Kontakte seien immerhin ein Grundbedürfnis, so Max.

Wenige Minuten später fährt auch schon eine Polizeiwanne mit grellem Flutlicht hervor. Die Be­am­t:in­nen schreiten etwas ratlos durch die Menge; die Box ist da schon längst aus. Die Polizei ist erstaunlich zurückhaltend und belässt es dabei, die sitzende Menge mit dem Flutlicht zu beleuchten, wohl in der Hoffnung, sie würde sich dadurch von allein auflösen.

Der nächste Rave ist nicht weit

Doch der nächste Rave ist nicht weit entfernt, auf einem kleinen Hügel haben sich mehrere hundert Menschen um eine Box versammelt. Es wird ausgelassen getanzt, ohne Abstand und Mundschutz.

Allerdings findet auch dieser Rave ein jähes Ende, die Polizei ist im Anmarsch. „Danke! Nehmt euren Müll mit“, ruft der Besitzer der Box; die Menge zerstreut sich.

„Ich hab gehört, am Müggelsee gibt es einen fetten Rave“, höre ich eine Partygängerin im Vorbeigehen sagen.

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