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Ein Jahr LADG BerlinDer Tiger braucht noch Zähne

Kommentar von Susanne Memarnia

Vor einem Jahr hat sich Berlin ein Gesetz gegen Diskriminierung durch Behörden gegeben. Die Bilanz zeigt: Es gibt noch viel zu tun.

Polizeieinsatz im Görli, rechts Innensenator Andreas Geisel (SPD), links Polizeisprecher Cablitz Foto: dpa

W ie misst man den Erfolg eines Gesetzes? Diese Frage drängt sich immer auf, beim Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) ist sie besonders naheliegend. Denn was sagen uns die Zahlen, die die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, am Dienstag dieser Woche vorstellte? 315 Beschwerden von Bür­ge­r*in­nen gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes vor einem Jahr über Diskriminierungen durch Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Landesbehörden, davon betrafen 50 die Polizei, 111 drehten sich um Rassismus: Ist das nun viel oder wenig? Zeigen die Zahlen, dass Berlins Behörden eigentlich ganz ordentlich arbeiten – oder das Gegenteil?

Wie so oft ist das eine Frage der Perspektive. Polizeisprecher Thilo Cablitz nannte die Fallzahlen „gering“ – wenn er auch pflichtschuldig nachschob, dass „jede Beschwerde eine zu viel“ sei und das Dunkelfeld gewiss hoch. Liebscher dagegen hat die Zahl der Beschwerden überrascht – sie zeige, dass das Gesetz „schnell angenommen wurde von der Stadtgesellschaft“. Sie brächte allerdings auch an den Tag, wer nicht klage, so Liebscher: etwa Sinti und Roma, „obwohl sie mit am meisten diskriminiert werden“.

Zudem wurde aus Liebschers Auswertung wenig überraschend deutlich, wo Antidiskriminierungsarbeit am dringlichsten ist: bei der Polizei. Die Behörde bemühe sich zwar sehr um Kooperation, lobte Liebscher, zugleich hätte das erste Jahr aber auch gezeigt, dass es „Muster“ von Diskriminierung gebe. Etwa, wenn Be­am­t*in­nen Mehrheitsdeutschen eher glaubten als migrantischen Menschen – oder bei Diskriminierungen durch Kol­le­g*in­nen aus falschem Corpsgeist alles abstritten.

Dass die Polizei nicht der einzige Problembereich ist, zeigt der neue Monitoringbericht der Neuköllner Beratungsstelle Adas für Diskriminierungsschutz an Schulen, der am Mittwoch vorgelegt wurde. 289 Hilfegesuche bekam Adas zwischen 2018 und 2020, überwiegend von Schüler*innen, die sich von Leh­r­kräften diskriminiert fühlten. Auch hier könnte das LADG künftig Wirkung zeigen – wenn es sich bei Schü­le­r*in­nen und Eltern herumspricht und sie den offiziellen Beschwerdeweg wagen.

Bis der so richtig zündet, müsste der Gesetzgeber aber wohl noch mal nachlegen: Denn letztlich hilft bei uneinsichtigen Behörden nur der Klageweg. Dafür können Betroffene zwar die Hilfe von Antidiskriminierungsvereinen in Anspruch nehmen, doch auch die müssen die Prozesskosten irgendwo hernehmen und werden sich das nur bei absoluten Präzedenzfällen leisten können. Ohne Prozesskostenfonds könnte das Gesetz daher doch ein zahnloser Tiger bleiben.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.
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1 Kommentar

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  • Wieso bedarf es denn eines Prozesskostenfonds? Hat die Autorin noch nichts davon gehört, dass man beim Gericht Prozesskostenhilfe beantragen kann, wenn man sich die Kosten einer Klage nicht leisten kann?