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Freie Schule in Hamburg beantragtEine Schule fürs Querdenken

Ein Verein aus dem Milieu der Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen will eine Freie Schule gründen. Der Antrag liegt vor, das Konzept lässt sich erahnen.

An der „Momentum Solaris“-Schule würde ein Schüler allenfalls ohne Maske das Coronavirus zeichnen Foto: Matthias Balk/dpa

Hamburg taz | Zwei Fragen bewegen die Nutzerin Yara in der Gruppe „Unterstützer MS-FHS“ im Messenger Telegram besonders: „Wird die Schule ‚maskenfrei und covidtestfrei‘ sein?“ Die Antworten, die sie in der Gruppe auf ihre Fragen bekommt, dürften sie beruhigen: „ja und ja“.

Im Vergleich zu anderen Kanälen aus dem Milieu von Quer­den­ke­r:in­nen und Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen hat diese Gruppe zwar noch wenige Mitglieder, 44 sind es aber immerhin bereits. Und das Projekt, um das es geht, die Gründung einer freien Schule in Hamburg, ist bereits weit gediehen: Der Trägerverein ist im Vereinsregister eingetragen, die Gemeinnützigkeit ist vom Finanzamt anerkannt worden und der Antrag für das Genehmigungsverfahren zur Gründung einer Schule in freier Trägerschaft liegt der Schulbehörde vor.

Gegründet wurde die Telegram-Gruppe Ende Dezember vergangenen Jahres vom Manager Timo Oyang, der auch einer der aktivsten Akteure der Gruppe ist. Am 6. Januar dieses Jahres verkündete Oyang, dass es ein „Jahresauftakttreffen“ gegeben habe, und worum es geht: „Wir haben es satt, wie das Schulsystem und die Maßnahmen sind“, schreibt er. Und weiter: „Wir stellen gerade das Konzept fertig und gründen einen Verein.“

Viel Sorge um die Kinder wabert durch den Telegramkanal. Der „Pandemie-Wahnsinn“ lege „grundsätzliche Probleme des Schulsystems offen“, wird da Anfang Mai ein Video aus der Reihe „Herzdenken“ zum Thema „Schule zwischen Trauma und Heilung“ beworben: „nach 1 Jahr Maßnahmen und Ausnahmezustand“ bestehe ein „Dilemma (…) zwischen Kindeswohl-Auftrag und Sicherheits-Prämisse“. Nicht minder groß scheint unter Gruppen-Mitgliedern die Angst vor einer Impfung der Kinder zu sein.

Mit „Querdenken“ verbandelt

Am 21. Januar verkündet Oyang in der Gruppe: „Schulverein haben wir heute beim Notar gegründet. Der Verein heißt NeoTopia e.V.“ Das klingt unverfänglich, ebenso wie die Satzung: Der „Zweck des Vereins ist die Förderung der Erziehung und der Bildung“, heißt es da, verwirklicht werden soll er „insbesondere (…) durch die Errichtung und den Betrieb einer alternativen, freien demokratischen oder weiterer Schulen in freier Trägerschaft“.

Als mögliche Standorte werden in der Gruppe die Stadtteile Rahlstedt und Wandsbek diskutiert. Aber es geht offenbar nicht nur um eine Schule in Hamburg, sondern auch um Folgeprojekte. Interessierte in anderen Städten sollen zusammengebracht und unterstützt werden. Nach Angaben der „Unterstützer MS-FHS“ bestehe längst ein Netzwerk von „ca. 200 Eltern“.

Als „einer der 8 Gründer“ der Gruppe stellt sich im Kanal auch der Wirtschaftsdozent Daniel Re vor, der sich selbst als „Honorardozent an der FH Hamburg/Wirtschaftswissenschaftlichen (sic!) Fakultät“ vorstellt. Re gibt als Honorardozent auch Kurse im Bildungsangebot „HKBiS“ der Hamburger Handelskammer – und ist eng mit der Initiatorin der Hamburger Gruppe „Querdenken 40“, Selina Fullert, verbunden.

Anfang Mai zog sich Fullert als „Chefin“ offiziell zurück – kurz zuvor hatte der Hamburger Verfassungsschutz erklärt, „Querdenken 40“ und „Hamburg steht auf“ als „Verdachtsfälle“ zu beobachten. Teile der Szene würden den demokratischen Staat, seine Re­prä­sen­tan­t:in­nen sowie Institutionen ablehnen, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) und warnte von einen „neuen verschwörungsideologischen und staatsgefährdenden Extremismus“. Vor allem die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen würden sich zunehmend radikalisieren.

Der Telegramkanal von Fullert selbst könnte ein Indiz für diesen Prozess sein. Fullert, die sich als „Freidenkerin und Mutter“ beschreibt, beklagt weiterhin „die Zensur“, wirbt für Autokorsos und Spaziergänge für die „Grundrechte“ und verbreitet einen Musikclip des hessischen Querdenker-Rappers SchwrzVyce mit der ironischen Botschaft: „Von Verbrechern regiert“.

Welche Orientierung die geplante Schule haben soll, lässt sich auch aus den pädagogischen Konzepten erahnen, auf die in der Gruppe Bezug genommen wird. Dabei wird deutlich, dass die Gründung einer freien Schulen offenbar schon viel länger – und lange vor Corona – diskutiert wurde. Im „Auszug“ aus dem Konzept, der in der Gruppe geteilt wurde, steht: „Stand: 31. 07. 2018“. Auch der Name der geplanten Schule, „Momentum Solaris“, wird dort schon angeben – das könnte erklären, warum der Prozess der Schulgründung schon so weit gediehen ist.

Bezug auf Antisemiten

Das pädagogische Konzept für „Momentum Solaris“ orientiert sich am Bundesverband der Freien Alternativschulen (BFAS) und dessen „Wuppertaler Thesen“, die die Interessen der Kinder, die Kooperation mit den Lehrkräften sowie flexible Lernformen und emanzipatorische Lernprozesse betonen.

Ein weiterer pädagogischer Bezugspunkt ist der österreichische Zauberer und Gedächtniskünstler Ricardo Leppe. Leppe leitet den Verein „WissenSchafft Freiheit – Vereinigung zur Stärkung, Aufklärung und Verbreitung von Wissen und Bildung“, der vermeintlich „alternative Lerntechniken“ und „Lernmethoden für Kinder“ entwickelt hat.

Auf dessen Webseite werden auch Ernährungs- und Gesundheitsempfehlungen gegeben. Ein kurzes Video zum Thema „Grippe“ beginnt Leppe mit der Warnung, wer keine Verschwörungstheorien hören oder „rechten Extremisten“ zuhören wolle, solle abschalten, denn jetzt käme „ganz böses Zeug“.

Auf der Webseite empfiehlt Leppe ausführlich die „germanische Heilkunde von Dr. med. Reyke Geerd Hamer“. Der 2017 verstorbene Arzt, dem 1986 die Approbation entzogen wurde, behauptete, dass Erkrankte nur ihren „inneren Konflikt lösen“ müssten, um die jeweilige Krankheit zu überwinden – so kämen sie ohne medizinische Behandlung aus.

Dass seine Habilitationsschrift und Lehre nicht angenommen wurden, führte Hamer auf den Einfluss „jüdischer Logen“ zurück, die eine „beispiellose Erkenntnisunterdrückungskampagne“ durchführten. Die „dumme alte Schulmedizin“ sei „eigentlich eine jüdische Medizin“.

Noch in diesem Sommer wollen die „Unterstützer MS-FHS“ starten. Seit dem 1. Februar liege der Schulbehörde der Antrag für das Genehmigungsverfahren vor, heißt es im Telegramkanal. Die Schulbehörde sah sich nicht in der Lage, der taz bis Freitagnachmittag zum Trägerverein und zur geplanten Schule Auskunft zu geben.

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1 Kommentar

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  • Ich kann nicht ertragen, wie sehr der Begriff "Querdenken" hier missbraucht wird.



    Genau wie bei dem Begriff "Islamischer Staat" IS.



    und niemand hält es konsequent durch, diese Selbstbezeichnungen ihnen konsequent zu verweigern.



    Das sind keine Querdenker, sondern kindische Trotzköpfe, es kann keinen islamischen Staat geben, das ist eine Terrormafia!