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heute in bremen„Ich bin spitzzüngiger geworden“

Tania Valerien

Florence Brokowski-Shekete

54, ist Autorin, Schulamts­direktorin und betreibt eine eigene Agentur. Sie ist in Hamburg geboren, in Buxtehude aufgewachsen und lebt heute in Heidelberg.

Interview Alina Götz

taz: Frau Brokowski-Shekete, Ihr Buch heißt „Mist, die versteht mich ja!“. Warum?

Florence Brokowski-Shekete: Der Titel entstand bei einem Gespräch im Jahr 2018, bei dem ich eigentlich nur zugehört hatte. Irgendwann habe ich dann etwas dazu gesagt und dann dreht sich einer der Männer um und sagte diesen Satz. Wobei er eigentlich noch krasser war: „Scheiße, die versteht mich ja.“

Klassischer Alltagsrassismus?

Absolut. Da hat jemand nicht erwartet, dass man der deutschen Sprache mächtig ist – und hat es dann nicht mal hingekriegt, das für sich zu behalten und es rausgetönt.

Wann beginnt Alltagsrassismus für Sie?

Wenn jemand sagt: „Ach, Sie arbeiten im Amt? Na, dann kommt endlich Farbe ins System!“, ist das ganz klar. Schwieriger wird es, wenn ich auf der Straße angesprochen werde mit dem Satz: „Diese gelbe Jacke steht Ihnen aber gut, mir würde die gar nicht stehen.“ Das ist als Kompliment gemeint – aber wenn ich weiß wäre, hätte man mich auch darauf angesprochen? In so einer Situation komme ich mir wie ein Ausstellungsstück vor.

Was sagen Sie in so einer Situation?

Ich gehe dann schnell auf die Metaebene. Ich weiß, dass der Kommentar deplatziert ist, aber ich versuche dann nicht unbedingt, denjenigen bloßzustellen, sondern das Gespräch so zu lenken, dass es möglichst neutral ist.

Was gelingt Ihnen heute besser als früher im Umgang mit Alltagsrassismus?

Es kommt drauf an, was man als besser bezeichnet. Als Kind habe ich gelernt, meinen Ärger nie rauszulassen. Und ich habe mich geärgert: Die drei Jahre, die ich Nigeria verbracht habe, haben mir schon als Zwölfjährige den Blick geschärft. Aber ich wurde erzogen, mich zurückzuhalten. „Was sagen denn die Leute“, hat meine Pflegemutter immer gesagt. Heute versuche ich, meinen Ärger sozialverträglich rauszulassen – oder gar nicht. Ich kann heute nochmal anders darüber reflektieren, und ich bin spitzzüngiger geworden.

Sind Sie mit dieser Taktik zufrieden?

Manchmal würde ich mir wünschen, ich hätte diesen sozialverträglichen Anspruch weniger. Es gibt auch Schwarze, die sagen, die Geduld wie du haben wir nicht. Aber: Ich bin ja Pädagogin. Ich habe den Anspruch, sozialverträglich zu agieren, und möchte nicht, dass mein Gegenüber Türen schließt, sondern einen Bewusstseinswandel vollzieht. Natürlich habe ich auch Momente, in denen ich am liebsten auf den Tisch hauen würde. Es bringt zwar wenig, aber es nicht zu tun, ist nicht immer gut, auch gesundheitlich.

Was sollte sich in der Rassismusdebatte verändern?

Ich wünsche mir, dass das Thema noch mehr in der Pädagogik auftaucht und nicht so klein gehalten wird. Es sollte behandelt werden, schon bevor es auftaucht. Leh­re­r*in­nen und auch Er­zie­he­r*in­nen sollten im Studium, in der Ausbildung und in Fort- und Weiterbildungen lernen, mit Bedarfen und Anliegen von Kindern mit anderen Wurzeln umzugehen. Und auch mit ihren Eltern. Interkulturelle Bildung muss in der Arbeit enthalten sein. Auch damit sich Leh­re­r*in­nen und Er­zie­he­r*in­nen mit anderen Wurzeln bei der Arbeit wohlfühlen. Mir wurde mal in der Garderobe der Leh­re­r*in­nen die Jacke zerschnitten. Letztlich musste ich das mit mir ausmachen. Antirassismus- sowie Antidiskriminierungs-Stellen sollten viel mehr einbezogen werden.

Lesung mit Florence Brokowski-Shekete aus ihrer Autobiografie „Mist, die versteht mich ja!“, 18 Uhr, Belladonna, Sonnenstraße 8, mit Anmeldung

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