: Noch zu vielKontrollverlust
Nach dem Remis der DFB-Elf im EM-Testspiel gegen Dänemark fällt die Bilanz gemischt aus – so auch zum Comeback von Müller und Hummels
Aus Innsbruck Maik Rosner
Am Ende war es auch eine Frage der Perspektive. Und aus Thomas Müllers Blickwinkel überwogen die positiven Eindrücke. „Ich glaube, wir haben schon gesehen nicht nur, dass wir wollen, sondern auch, dass wir Dinge sehr gut umsetzen können“, bilanzierte der Rückkehrer nach dem 1:1 (0:0) der deutschen Nationalmannschaft im EM-Test gegen Dänemark. Müller, 31, hatte mit seinem etwas kompliziert formulierten Zwischenfazit nicht nur die erkennbaren Fortschritte und das Engagement im ersten EM-Test ganz gut abgebildet. Das Urteil passte auch zu seinem Comeback und dem von Mats Hummels am Mittwochabend im Innsbrucker Tivoli-Stadion nach ihren rund zweieinhalb Jahren Spielpause im DFB-Trikot.
Die positiven Einflüsse der beiden Weltmeister von 2014 auf die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw überwogen ja ebenfalls. Müller gab den lautstarken Kommandogeber in der flexiblen ersten Reihe mit Serge Gnabry und Leroy Sané. Hummels trug als halb linker Verteidiger der Dreierkette mit Niklas Süle in der Mitte und Matthias Ginter halb rechts zu einer überwiegend stabilen Defensive bei. Eine Formation, die Löw auch für den EM-Auftakt am 15. Juni gegen den offensivstarken Weltmeister Frankreich erwägt, dann aber voraussichtlich mit Antonio Rüdiger und wohl ohne Süle.
Doch auch an Müller und Hummels machten sich Makel bemerkbar, die sich ins übergeordnete Gesamtbild der DFB-Elf mit den bekannten Defiziten fügten. Müller vergab vorne gleich die erste Großchance per Kopfball und leistete damit einen weiteren Beitrag dazu, dass Löw später wieder einmal eine mangelnde Effizienz beklagen musste. „Das Problem haben wir auf jeden Fall“, sagte der Bundestrainer. Serge Gnabry und Joshua Kimmich scheiterten ebenfalls knapp und trafen jeweils die Latte statt ins Tor. Hummels fehlten in der Offensive einmal ebenfalls nur Zentimeter, um eine Hereingabe von Kimmich ins Tor zu schubsen. In seinem Kernressort Abwehr agierte der Dortmunder meist souverän, wurde aber auch kaum gefordert. In der 71. Minute jedoch ließ er zusammen mit Süle nach einem Schnittstellenpass von Christian Eriksen Angreifer Yussuf Poulsen entwischen. Der Leipziger schoss zum Ausgleich ein, Hummels’ Grätsche kam zu spät.
„Es gab Licht und Schatten“, bilanzierte Löw und untertrieb ein bisschen, als er sagte: „Bis auf das Tor hat Dänemark keine Chance gehabt.“ Im Laufe der zweiten Halbzeit habe man „die Kontrolle ein wenig verloren“. Und er monierte: „Ein leichter Ballverlust hat zum Gegentor geführt. Abstimmung und Laufwege waren noch nicht so drin.“ Mehr noch als Müller und Hummels fiel allerdings der Gladbacher Mittelfeldspieler Florian Neuhaus auf. Nicht allein wegen seines Abstaubers zum 1:0 in der 48. Minute, sondern wegen seiner vielen Impulse im Spiel nach vorne, von öffnenden Pässen bis hin zu Tempodribblings. „Er hat ein gutes Spiel gemacht und sich das Tor auch verdient“, lobte Löw.
Es war insgesamt allerdings ein nur bedingt aussagekräftiger EM-Test, weil er zu einem recht frühen Zeitpunkt der Vorbereitung nach lediglich fünf Tagen im Trainingslager stattfand. Vor allem aber war an diesem Abend eine deutsche Elf aufgelaufen, die so kaum noch einmal zu sehen sein wird.
Gleich sieben Kadermitglieder fehlten ja noch, die Mehrheit davon potenzielle Stammkräfte. Leon Goretzka (nach Muskelfaserriss) und Toni Kroos (nach Corona-Infektion) befinden sich im Aufbau, Emre Can wurde wegen Beschwerden an den Adduktoren geschont. Zudem stehen Löw erst künftig die Profis aus der Premier League (Antonio Rüdiger, Kai Havertz, Timo Werner und Ilkay Gündogan) zur Verfügung für die Vorbereitung auf den EM-Auftakt gegen Frankreich. Davor gibt es aber am Montag noch einmal in Düsseldorf die Möglichkeit, gegen Lettland an der ein oder anderen Schwachstelle zu feilen. Bei dieser Generalprobe, das hatte Löw schon vorm Spiel gegen Dänemark angekündigt, wird seine erste Elf anders aussehen.
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