piwik no script img

Kunstfreiheit in KubaKubanischer Künstler wieder frei

Nach vier Wochen ist Luis Manuel Otero von der regierungs­kritischen Künstlerbewegung San Isidro frei. Seine Freunde sitzen weiter in Haft.

Luis Manuel Otero Alcántara (hier 2018) ist das Gesicht der Bewegung San Isidro Foto: Alexandre Meneghini/reuters

Hamburg taz | Das erste Interview von Luis Manuel Otero Alcántara ging nur wenige Stunden nach seiner Entlassung am Montag aus der Universitätsklinik Calixto García online. Zeit brauche er, um sich nach mehr als vier Wochen ohne Zugang zu Informationen auf den aktuellen Stand zu bringen. Doch der Kampf in Kuba gehe weiter – für die Freilassung von Maykel Osorbo, Esteban Rodríguez und allen anderen, erklärte Alcántara gegenüber ADN Cuba kämpferisch. Für das kubanische Nachrichtenportal mit Sitz in Miami, das zumindest teilweise von den US-Behörden finanziert wird, arbeitet auch Esteban Rodríguez.

Der junge Journalist hatte am 30. April gemeinsam mit der Aktivistin Thais Franco versucht, Otero Alcántra in seiner Wohnung in San Isidro zu besuchen. Dort war der 32-jährige regimekritische Künstler mehrere Tage zuvor in den Hunger- und Durststreik getreten, um sich gegen die Beschlagnahme von Kunstobjekten und gegen die Überwachung durch die politische Polizei Kubas zu wehren. Als Rodríguez und Franco von der Polizei aufgehalten wurden, nahmen sie wenig später an einer friedlichen Sitzblockade in der Calle Obispo teil, einer Flaniermeile in der Altstadt von Havanna, und verlangten, Otero Alcántara sehen zu können.

Das wurde ihnen von der Polizei verweigert, die wenig später die Blockade auflöste und sechs De­mons­tran­t*in­nen festnahm, darunter Thais Franco, Esteban Rodríguez sowie die Journalistin Mary Karla Ares. Franco und Rodríguez sitzen bis heute in Haft, ohne dass deren Familien über die Gründe informiert wurden, so berichtet die kubanische Menschenrechtsorganisation Cubalex. Mary Karla Ares wurde entlassen und unter Hausarrest gestellt.

Verstöße gegen geltendes kubanischen Recht, urteilt Cubalex auf ihrer Website. Doch genau das ist, sagt Dokumentarfilmer Michel Matos, in Kuba mehr und mehr Alltag. „Wir werden seit Monaten systematisch kriminalisiert. Als Terroristen, als Söldner im Dienst der USA, als Konterrevolutionäre werden wir in den Medien bezeichnet, obwohl wir nur Grundrechte einfordern und gegen die Regulierung eintreten“, sagt Matos. 28 Tage haben Polizisten ihn im Dezember daran gehindert, seine Wohnung zu verlassen. Etliche Verhöre hat er hinter sich – genauso wie Luis Manuel Otero Alcántara.

Inspiriert von der Überwachungskamera der Polizei

Beide gehören zu den Gründern des Movimiento San Isidro (MSI), das im Sommer 2018 entstand, als das Gesetz 349 publik wurde. Das versucht, sämtliche Kunstaktivitäten in ein Korsett von Regularien zu stecken. Dagegen wehren sich Ak­ti­vis­t*in­nen wie Otero Alcántara, Matos oder die Performancekünstlerin Tania Bruguera. Alle drei stehen unter Beobachtung der politischen Polizei.

Gegenüber Oteros Wohnung hängt eine hochauflösende Kamera. Die hat den 32-jährigen Künstler inspiriert. Zu Zeichnungen, Texten, Gedichten, die zumindest teilweise von der Polizei am 22. April beschlagnahmt wurden. Dagegen war er in den Hungerstreik getreten und am 2. Mai schließlich in den frühen Morgenstunden von der Polizei gewaltsam aus seiner Wohnung in die Universitätsklinik Calixto García gebracht worden. 29 Tage später durfte er das Krankenhaus verlassen – ohne sein Handy und seine Bilder.

Telefon und Bilder sollen ihm laut Angaben der Polizei zugestellt werden. Bis dahin will sich Otero Alcántara bei seiner Familie informieren, was während seines Zwangsaufenthalts im Krankenhaus passiert ist. Dazu gehört auch die Verlegung seines Freundes und MSI-Mitglieds Maykel Osorbo in ein Gefängnis in Pinar del Río. Der Rapper und Mitinitiator des Protestvideos „Patria y Vida“ war vor mehreren Wochen von der Polizei auf offener Straße festgenommen worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!