piwik no script img

Letztes Schlupfloch soziale Medien

In Myanmar stehen unabhängige Journalisten nach dem Militärputsch vor dem Nichts. Sie können nur noch in sozialen Medien publizieren, sofern das Internet zugänglich ist

privat

Nyein Ei Ei Htwe war bis Fe­bru­ar 2021 Redakteurin der „Myanmar Times“, die nach einem Streik junta­kritischer Mitarbeiter eingestellt wurde, und nahm 2014 am Myanmar-Workshop der Panter Stiftung inBerlin teil.

Aus Yangon Nyein Ei Ei Htwe

Nach 15 Berufsjahren ist der freie Journalist Min Htet San kürzlich von der teuren Großstadt Yangon wieder in das Dorf seiner Eltern im Norden Myanmars gezogen, um dort auf deren Farm zu arbeiten. Denn den unabhängigen Medien, für die er bisher gearbeitet hatte, wurde vom Putschmilitär Anfang März die Lizenz entzogen. Sie publizieren jetzt nur noch bei Facebook, Twitter und Instagram. Die Fernsehsender MWD und MRTV des Militärs senden dagegen weiter und verbreiten Fake News.

Seit dem Putsch gebe es sehr viele Nachrichten auf Facebook, sagt er, aber es sei sehr schwer, deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. „Heute morgen sah ich bei Facebook viele Posts, dass bestraft würde, wer schwarze Masken oder T-Shirts trägt. Aber ich konnte das nicht bestätigt bekommen. Ich habe viele angerufen, die das gepostet hatten. Es stellte sich heraus, niemand hatte das selbst erlebt oder gesehen, sondern ungeprüft einfach weiter verbreitet.“

Viele Posts in den sozialen Medien seien nicht sehr akkurat, räumt Journalistentrainerin Ma Tin Zar ein. Doch seien die von sogenannten Bürgerjournalisten verbreiteten Nachrichten wichtig, um Menschen im Exil wie in internationalen Medien über die Entwicklungen zu informieren. In jedem Ort Myanmars gebe es mindestens eine Gruppe, die den Nachrichtenfluss orga­nisiere. Die Menschen wüssten, wie wichtig Informationen seien. „Sie dokumentieren deshalb mit ihren Handykameras Ereignisse“, sagt Ma Tin Zar. „Die Qualität mag nicht die beste sein, aber die Bürgerjournalisten lassen sich nicht stoppen, obwohl das Militär das versucht.“

Seit der ersten Aprilwoche ist in vielen Regionen der Internetempfang per Sa­tellit verboten, Satellitenschüsseln wurden vom Militär zerstört. Wer sienoch betreibt, dem droht eine Strafe von 100.000 Kyat (60 Euro). „Einige we­nige haben wie ich einen Festnetzanschluss. Ich mache dann aus den Nachrichten SMS, die ich an 30 Personen schicke, um so Propaganda und Fake News zu unterlaufen“, sagt Ma Tin Zar. Denn inzwischen würden sogar Hausfrauen wissen wollen, wie die Vereinten Nationen über Myanmar diskutierten, was Joe Biden zum Putsch sage oder wie Proteste verliefen. Solange das Militär an der Macht sei, werde es lügen, glaubt Sit Htet Aung. Er hat das Portal Burma Associated Press mit zehn anderen Journalisten gegründet, die nicht nach den Einschränkungen der Junta arbeiten wollten. „Wir stehen unter dauernder Beobachtung, einige sind schon verhaftet, andere stehen unter Anklage, der Rest ist ständig in Bewegung, um einer Festnahme zu entgehen“, sagt er. „Wir bekommen kein Gehalt oder Honorar, nur einige Spenden, die wir für die Internetnutzung ausgeben, damit wir in den sozialen Medien posten können.“

Ma Tin Zar, Journalismustrainerin

Doch hätten sie viel Rückhalt in der Bevölkerung. Ließen sich Demonstranten anfänglich aus Sorge vor Spitzeln ungern fotografieren, würden die Journalisten jetzt viele Fotos und Filme zugeschickt bekommen, um sie weiterzuverbreiten. „Leider können wir zum Schutz von Informanten oft keine Quellen nennen, auch keine Interviews machen oder nicht mal zurückrufen, weil Telefonnummern ständig geändert werden“, erklärt Sit Htet Aung. Seit dem 1. Februar wurden 77 Jour­na­lis­t*In­nen festgenommen, davon sind 43 noch in Haft, 22 werden steckbrieflich gesucht.

„Myanmars Journalisten haben keine Sicherheit und keine Freiheit“, sagt Chefredakteurin Ma Nyein Nyein Wang von 7Day News TV. Ihrem Sender wurde mit vier anderen Medien am 8. März die Lizenz entzogen. „Es herrscht tiefste Finsternis mit Ausnahme der Bürgerjournalisten in den sozialen Medien.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen