piwik no script img

Fastenmonat für Mus­li­mIn­nenRamadan und Corona? Harira!

In der zweiten Fastenzeit während Corona wird viel deutlicher, worauf es ankommt: Nicht auf den Nahrungsverzicht, sondern auf Liebe und Verantwortung.

Erst die Dattel, dann die Suppe: Das Fastenbrechen ist auch während Corona eine kulinarische Sause Foto: dpa

Berlin taz | Kürzlich fragte mich eine meiner marokkanischstämmigen Freundinnen nach meinem Harira-Rezept. Wer eine marokkanische Mutter hat oder selbst eine ist oder marokkanisch ist, aber keine Mutter, kann keine Fastenzeit ohne diese köstliche und gut gewürzte Suppe aus Kichererbsen und Linsen überstehen. Marokkanische Juden gönnen sie sich zu Jom Kippur, marokkanische Muslime einfach gleich 30 Tage lang am Stück oder essen sie, wie im Fall meiner Freundin, die zur religiösen Minderheit der Bahai gehört, 19 Tage lang.

Die am Dienstag beginnende Fastenzeit ist bekanntlich die Zeit der Besinnung und Entbehrung. In diesen pandemiegeplagten Zeiten werden wir Muslime mehr denn je herausgefordert sein, nicht die Nerven zu verlieren. Denn auch 2021 gilt, rund 30 Tage lang täglich 16 Stunden auf Flüssigkeit und Nahrung zu verzichten.

Hinzu kommt, dass die Coronabestimmungen die traditionelle Zusammenkunft von Freunden und Familienmitgliedern auch in diesem Jahr erschwert. Dazu gehören etwa die nächtlichen Tarawih-Gebete in den Moscheen: Sie werden in einigen islamischen Ländern sogar wegen Corona untersagt. Corona zeigt in Glaubens- und Traditionsfragen einmal mehr, was im Islam plötzlich alles möglich ist: Im vergangen Jahr wurden sogar die Freitagsgebete, denen vor allem die Männer beiwohnen, weltweit untersagt. Zu Hause beten sollten sie. Musliminnen weltweit wurden vor Jahrhunderten zu ebenjenem Zuhausebeten verdonnert. Die Verdrängung der muslimischen Frau im öffentlichen Raum nahm dadurch seinen Lauf. Doch irgendwer muss die Harira daheim ja kochen.

Und wie so oft in der Menschheitsgeschichte führen gewisse Umstände zu neuen Traditionen. Für den Ramadan gilt aber weiterhin: Es geht um mehr als um Nahrungsverzicht, Völlerei und große Zusammenkünfte. Oder um schlechte Angewohnheiten wie Rauchen.

Worauf es im Leben ankommt

Das eigene Handeln und Denken stehen im traditionellen Islam im Vordergrund. Wenn wir also mal wieder über den Dschihad sprechen, erinnert uns der Fastenmonat meines Erachtens einmal mehr an diesen Dschihad: den Kampf gegen uns selbst. Fluchen, fehlende Rücksicht auf andere oder böswillige Gedanken können das Fasten brechen.

Oder um es mal mit den Worten von Asche aus seinem Rap „Xmassaker“ zu sagen, „Wann werd ich vom Hass befreit? Besinne mich in der Fastenzeit.“ Die eigentliche Kunst ist daher, diesen friedlichen Geist, der Minderheiten und Andersdenkende einschließt, das restliche Jahr über zu leben. Ob Ramadan oder Pandemie, beides erinnert uns daran, worauf es im Leben ankommt: Familie, Freundschaft, Liebe und Verantwortung. So wird dieser Ramadan vielleicht im zweiten Coronajahr weniger gesellig, aber die Digitalisierung macht auch für die ältere Generation das gemeinsame Hariraschlürfen möglich.

Zu meinem Rezept lässt sich nur sagen: Smen ist die Zauberzutat. Oder Stinkebutter, wie eine Freundin sie nennt. In diesem Sinne: Ramadan kareem! Fröhliche Fastenzeit!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar