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Ursachenforschung der CoronapandemieWHO-Kritik an China erhärtet sich

Ein Bericht von Experten der Weltgesundheitsorganisation über die Ursprünge von Corona fordert weitere Untersuchungen – und lässt viele Fragen offen.

Wahrscheinlich waren die Fledermaus und das Schuppentier Überträger des Coronavirus Foto: Arco/picture alliance

genf taz | Woher das Coronavirus stammt, bleibt auch nach einer internationalen Untersuchung im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unklar. Ein nach langem Warten am Dienstag in Genf vorgestellter Expertenbericht lässt viele Fragen unbeantwortet. Chinas Regierung dürfte das recht sein.

Einig sind sich die Experten darin, dass das Virus wahrscheinlich von Fledermäusen oder Schuppentieren über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Welcher Zwischenwirt das sein könnte, ist unklar. Hier und auch sonst wird im 120-seitigen Bericht immer wieder darauf verwiesen, dass weitere Untersuchungen nötig seien. So könne der Markt von Wuhan, der lange als Ort der ersten Übertragung auf den Menschen galt, auch nur der Ausgangspunkt für die Ausbreitung des Virus gewesen sein. Auch eine weitere Theorie, die von der chinesischen Regierung stammt, soll nach Ansicht der Experten weiter untersucht werden: Nämlich die, dass sich das Virus über Tiefkühlwaren auf den Menschen übertragen hat. Für Peking hätte das den Vorteil, dass das Virus dann gar nicht aus China stammen müsste, was die Staatsführung seit Monaten betont.

Eine andere Theorie, die Peking stets bestritten hatte, halten die Experten laut ihrem Bericht dagegen für widerlegt: Nämlich die, dass das Coronavirus aus einem nahen Forschungslabor auf den Markt und damit zum Menschen gelangte. In den Laboren gebe es keine Hinweise auf Viren, die dem von Sars-CoV-2 verwandt seien; weil die Hypothese extrem unwahrscheinlich sei, müsse man sie nicht weiter verfolgen. Weder Krankheitsfälle in einem der Labore im Herbst 2019 noch der Umzug eines Labors kurz vor der ersten bekannten Corona-Infektion schienen den Experten offenbar stichhaltig genug, um nur eine weitere Untersuchung anzuregen. Der Laborbesuch selber hatte einem Teilnehmer zufolge nur wenige Stunden gedauert und aus einem Rundgang sowie Vorträgen der Chefs bestanden, die die Arbeit mit coronaähnlichen Viren ausgeschlossen hatten.

Solche Episoden nähren die Zweifel derer, die im Bericht vor allem die Handschrift Pekings lesen. Tatsächlich hatte der Arbeitsauftrag für die WHO-Experten eine Kooperation mit chinesischen Kollegen vorgesehen. Teamleiter Peter Ben Embarek hatte in einem Science-Interview erklärt, sein Team sei stets von bis zu 60 Vertretern Chinas begleitet worden, die weder Wissenschaftler noch Gesundheitsexperten gewesen seien. Verfasst haben den Bericht neben den 17 WHO-Experten auch 17 chinesische Autoren. US-Außenminister Antony Blinken hatte CNN vergangene Woche erklärt, die chinesische Regierung habe den Bericht mitverfasst.

Bericht zeigt, wie machtlos die WHO ist

Fest steht: China verzögerte die Untersuchung monatelang. Erst mehr als ein Jahr nach dem ersten registrierten Corona-Ausbruch in Wuhan traf das WHO-Team am 14. Januar dort ein. Alle Seiten haben viel zu verlieren. China will nicht als Verursacher der Covid-Pandemie gelten, und die WHO will dem schon früh geäußerten Verdacht entgegentreten, sich Peking unterzuordnen. Vielleicht auch deshalb betonte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus nun, es lägen nach wie vor alle Optionen auf dem Tisch. Der Bericht sei ein Anfang, kein Ende. Ob es weitere Untersuchungen geben wird, hängt maßgeblich von China ab.

Und so zeigt der Bericht auch, wie machtlos die WHO ist. Tedros und der Präsident des Europäischen Rats, Charles Michel, regten deshalb eine internationale Konvention an, die im Falle der nächsten Pandemie globale Kooperation und besseren Datenaustausch sicherstellen soll. Wie genau das gehen soll, blieb allerdings offen.

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8 Kommentare

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  • Zitat: „In den Laboren gebe es keine Hinweise auf Viren, die dem von Sars-CoV-2 verwandt seien.“

    Das Virus entstammt also nicht aus einem chinesischen Bio-Waffen-Militärlabor. Xi Jinping hat es selber gesagt...

  • Halten wir fest: Die WHO-Kommission war einige Stunden im Wuhan- Labor. Dort wurde ihnen vorgetragen, daß das Virus nicht aus dem Labor stammt. Im Abschlußbericht, an dem 17 chinesische Wissenschafter (und die chinesische Regierung) beteiligt waren, wird es für ‘extrem unwahrscheinlich’ erklärt, daß das Virus aus dem Labor entwichen sein könnte. - Das ist überzeugend.

    Fest steht indes, daß in Wuhan eines der weltweit wenigen Labors steht, in dem ’Gain-of-Function’ an (Fledermaus-) SARS Viren betrieben wird.

    Es ist das Ziel der Gain-of-Function-Forschung, den Viren eine Funktion hinzuzufügen - d.h. den potentiellen Mutations- bzw. Evolutionsprozeß des Virus zu beschleunigen -, die die Gefährlichkeit des Virus steigert: Prominent dürfte hier die 'Optimierung' der Übertragbarkeit sein. Dies geschieht mit dem Ziel der Entwicklung von Gegenmitteln gegen mögliche zukünftige Pandemien.

    Wiederholt ist auf die Auffälligkeit einer Furin-Sequenz im Genom des Virus hingewiesen worden, die das Virus so hochansteckend macht.

    Die Koinzidenz von Pandemieausbruch in Wuhan und der Existenz eines Labors in Wuhan, das diesen Virentyp beforscht – ist das nicht äußerst erstaunlich? Sie ist nicht Beweis eines Kausalzusammenhangs, gewiß: ‘correlation does not imply causation’. Aber wie wahrscheinlich ist es eigentlich, daß diese Koinzidenz purer Zufall ist?

    Die Frage des Ursprungs des Virus ist zu wichtig, als daß die Lab-Leak-Hypothese vorschnell ad acta gelegt wird. Dies muß restlos geklärt werden.

    Wenn es ein Labor-Unfall war, ist die Gain-of-Function-Forschung an hochgefährlichen Viren auf den Prüfstand zu stellen - sonst kann alles morgen wieder passieren...

    In den USA wird die Lab-Leak-Hypothese offen diskutiert:



    Nicolson Baker am 4. Jan. ‘21 im ‘New York Magazine’



    Rossana Segretto & Yuri Deigin am 17. Nov ‘20 in ‘Wiley Online Library’



    Der ehemalige CDC Direktor, Robert Redfield, sagte am 26.3. auf CNN, daß er an den Laborursprung des Virus glaubt.

    • @Weber:

      "Aber wie wahrscheinlich ist es eigentlich, daß diese Koinzidenz purer Zufall ist?"

      Extrem niedrig, wenn man sich ein bisschen mit Viren und Evolution auskennt:

      Eine Laborkultur eines Virus findet in einem kontrollierten Umfeld in einer ZELLKULTUR statt. Zumal wenn es sich um ein Virus handelt, für das Menschen nur Fehlwirt sind, ist nicht davon auszugehen, dass sie sich gegen ein normales menschliches Immunsystem durchsetzen kann. Vor allem dann nicht, wenn die Forschung länger andauert, denn jede Mutante, die in freier Wildbahn vom Immunsystem des Wirts wegselektiert werden würde, ist in vitro mit dem Wildtyp gleichberechtigt oder sogar bevorzugt.

      Wenn man Viren in Fehlwirts-Zellen züchtet, kommt es unvermeidlich zu einer Anhäufung von LOSS-of-function-Mutanten:



      en.wikipedia.org/w...Attenuated_viruses

      Es ist ein genereller und weitverbreiteter Fehler, Genmanipulation würde bedeuten, dass die Evolution angehalten wird. ZB in der Agrargentechnik ist ein großes Hindernis, dass eine generationenlang im Labor auf Krankheitsresistenz gezüchtete Sorte im Anbau versagt, weil natürlich im Labor jeder agrarisch relevante Genotyp unnütz oder gar schädlich für die Pflanze ist. (Bei "Golden Rice" war das sehr anschaulich zu sehen: als der Carotingehalt hoch genug war, waren Ertrag und Robustheit hinüber.)

      Die unangenehmen Eigenschaften von SARS-CoV-2 sind einerseits zu komplex, um sich durch intentionales menschliches Einwirken erklären zu lassen (sonst hätten die Chinesen nicht Ende 2019 so schnarchnasig reagiert), und zum anderen zu vielfältig, als dass dieses Virus nicht längere Zeit in lebenden Menschen "optimiert" wurde.

      Die Laborthese ist nichts weiter als ein psychologisch hochwirksames Hilfskonstrukt, das den Aberglauben des christlichen Abendlandes retten soll, der Mensch sei "Krone der Schöpfung". Was so abgeht wie dieses Virus, ist ziemlich eindeutig in freier Wildbahn von der Evolution optimiert worden.

  • Was ist mit den SportMiltär Zusammenkünften im Herbst als möglicher Verbreitungsort.

    Und vor allem was ist mit dem Infektionsgeschehen in Mitteleuropa, werden wir dazu je eine Antwort erhalten?



    www.tagesschau.de/...-ursprung-101.html

    • @BlackHeroe:

      Ja, natürlich könnte SportMilitär Zusammenkünfte Ursprung des Virus sein. Man sucht ja nach einem Wirtstier, dass die Übertragung von Fledermaus auf Mensch ermöglicht hat.

      Da bei solchen Treffen bekanntermaßen Athleten aus Sportarten wie Bock-Springen, Stierkampf oder Zwergenwerfen zusammenkommen, sind Infektionen mit Fledermausviren nicht auszuschließen.

  • Es mag sein, dass Corona seinen Ursprung in Wuhan hatte, obwohl der Virus nachweislich bereits spätestens Oktober/November 2019 in Europa nachgewiesen wurde. Bemerkenswert ist allerdings, dass Corona von Europa aus, ab Ende März 2020, seinen Siegeszug rund um die Welt angetreten hat, als China die Neuinfektionen bereits (bis heute) auf nahezu Null heruntergefahren hatte. In Europa liegen die Hauptversäumnisse, nicht in China!

    • @Peter Goretzki, Dr.:

      Das stimmt nicht ganz - die frühen Nachweise aus Europa wurden mit nicht allzu verlässlichen Tests erbracht. Man müsste mit PCR aktives Virus oder zumindest Virenreste in gekühlt gelagerten Blutproben nachweisen können, aber da wurde nichts gefunden. Antikörpertests zeigen in der Regel nur eine Infektion mit irgendeinem beliebigen Coronavirus an, und davon waren im Spätherbst 2019 reichlich Menschen in Europa betroffen: rein statistisch gesehen könnte man mit einem Antikörpertest der ersten Generation in Proben von Oktober/November 2019 nicht nur fündig werden - man müsste geradezu! Nur würde man damit eben die Relikte einer Infektion mit OC43 oder so finden.

      Der Webasto-Cluster ist ja sehr gut dokumentiert; da kann man sehen, wie schnell sich das Zeug ausbreitet. Damit das nicht nach 2-3 Wochen in den Arztpraxen durch eine plötzliche Häufung diffuser Atemwegsinfekte mit unklarer Ätiologie auffällt, muss man schon in einer dünnbesiedelten Gegend mit miserabler Gesundheitsversorgung leben.

      Was aber stimmt, ist, dass die globale Pandemie durch die im Alpenraum (plakativ: "Ischgl") entstandene D614G-Mutante ausgelöst wurde, nicht durch den chinesischen Wildtyp. Und auch B.1.1.7, die ihrerseits den Alpen-Stamm verdrängte, ist europäischen Ursprungs. Insofern ist die Laborthese auch als geistige und evtl sogar rechtliche Absicherung zu sehen: "ja, wir haben die Menschheit einem lebensgefährlichen Virus zum Fraß vorgeworfen - ABER OHNE DEN KINESEN WÄR DAS NICHT PASSIERT!!!1!!!1!1111"

      Pandemiestufe 3 in der Laurie-Garrett-Skala: die Suche nach dem Sündenbock, der das eigene Versagen kaschiert.

    • @Peter Goretzki, Dr.:

      "als China die Neuinfektionen bereits (bis heute) auf nahezu Null heruntergefahren hatte."

      Nach eigenen Angaben!