piwik no script img

Corona-Hotspot SpielplätzeDie halbe Kita ist schon da

Wohin mit Kindern, wenn es weder Sport noch Musikschule gibt? Man geht auf den Spielplatz. Doch mit der Idee ist man nicht alleine an der Rutsche.

So ein Trampolin hat man in Corona-Zeiten selten allein: Die Spielplätze sind voll Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Berlin taz | Man hat ja grundsätzlich viel zu bedenken während einer Pandemie, vom richtigen Händewaschen bis zum Kinder-in-die-Notbetreuung-organisieren, wenn man denn Kinder hat. Worum man sich als Eltern aber definitiv keine Gedanken mehr machen muss: um die Organisation des nachmittäglichen Funfactors für den Nachwuchs. Zumindest jetzt nicht, wo sich der Berliner Frühling tatsächlich ein bisschen aus der Deckung wagt. Denn für die Kinder ist an jedem halbwegs sonnigen Lockdown-Tag Party, und zwar nicht trotz, sondern wegen Corona. Man muss bloß auf den Spielplatz gehen, auf irgendeinen, und man wird sehen: Die halbe Kita ist immer schon da.

Dann stellt man sich zu den anderen Kita-Eltern und redet darüber, dass das „ja eigentlich auch nicht geht, so.“ Und dass man glaubt, dass in der Infektionsschutzverordnung („in diesem Gesetz“) doch stehe, wie war das noch, irgendwas mit zwei Haushalten, die maximal zusammenstehen dürfen. Naja. Und dann verteilt jemand eine Packung Kekse an ein Rudel Kinder, „sind ja eh fast alle in einer Kita-Gruppe“, und sagt: „Einfach reingreifen!“

Fünf Personen aus maximal zwei Haushalten dürfen laut der aktuellen Infektionsschutzverordnung draußen zusammenkommen. Zuletzt hat der Senat die Kontaktbeschränkungen kurz vor Ostern verschärft – seit dem 6. April gilt außerdem ein nächtliches Besuchsverbot, zwischen 21 und 5 Uhr heißt es seither: meine Kernfamilie/meine WG/mein Meerschweinchen und ich. Und weil der Bundestag am Mittwoch die „Notbremse“ inklusive Ausgangssperre bei einem 7-Tage-Inzidenzwert von 100 beschlossen hat – Berlin liegt aktuell bei 152 – darf man der Häuslichkeit bald ab 22 Uhr auch nicht mehr durch einen Spaziergang entfliehen. Es sei denn, man hat einen Hund, der darf nachts beim Pinkeln begleitet werden.

Ich bin für Kontaktbeschränkungen. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Pandemie, so wie alle anderen auch. Aber ich vermute, das ist fiesen Virus-Mutanten egal. Also gehe ich abends artig schlafen, nachts aufbleiben ist mir, seit ich auf Spielplätzen herumstehe, ohnehin zu anstrengend geworden. Und gehe ich nach 21 Uhr spazieren, sehe ich, dass andere Menschen auch kein wahnsinnig aufregendes Leben mehr führen.

Verbotener als verboten geht nicht

Die Stadt ist recht ruhig, auch wenn in den Parks junge Menschen zusammenstehen – in nicht erlaubten Gruppengrößen, die meist keine Polizei kontrolliert, weil sie es nicht kontrollieren kann. Daran dürfte sich auch nichts ändern, wenn die unerlaubten Treffen künftig zu einer unerlaubten Uhrzeit stattfinden. Verbotener als verboten geht ja nicht.

Kann natürlich sein, dass Parties dann eben erst recht drinnen stattfinden, was ja angesichts des schon geltenden Besuchsverbots auch bloß etwas mehr als ohnehin schon verboten und erst recht nicht zu kontrollieren wäre.

Manche Verbote nutzen demnach nichts. Manches Erlaubte – Spielplätze – macht, zumindest gefühlt, auch nicht viel Sinn. Andererseits: Solange der komplette Nachmittagszirkus aus Musikschule und Vereinssport noch still steht, trifft man sich eben auf dem Spielplatz. Die potenziellen Hotspots verschieben sich nur, denn die Menschen bleiben ja da, und Kinder wollen rutschen. Nur bitte, esst eure Kekse doch alleine. Faustregel: Wer anderen als den eigenen Kindern auf die Füße krümelt, macht gerade etwas falsch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Verbotener als verboten geht ja nicht."



    Der Satz ist schön!



    Ergo:



    "Wer anderen als den eigenen Kindern auf die Füße krümelt, macht gerade etwas falsch."

  • Und wieder ein Problem aus dem Zentrum einer Großstadt, anhand dessen die Politik wohlmöglich auch die übrigen 80% der Bevölkerung einschränken wird?



    Wo die Bevölkerung nicht so dicht wohnt, gibts das Problem nicht!



    Vielleicht sollten wir die Nachverdichtung der Großstädte stoppen, und diese ungesunde Wohnumgebung den reichen Yuppies überlassen, die dort hohe Mieten bezahlen wollen?

  • Wenn sich die Kontakte nach draußen verlagern (Spielplatz statt Musikschule, Park statt zu Hause) wäre das ein Erfolg der Maßnahmen. Leider ist die aufgeweichte "Ausgangssperre" wahrscheinlich nicht den gewünschten Effekt erzielen.