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Neues Videoformat von NDR-OrchesterCorinna Harfouch und der Bergkönig

Nicht bloß virtuell ins Konzert: Die NDR-Radiophilharmonie packt klassische Musik in ein neues Videoformat – zum Auftakt „Peer Gynt – Solveigs Lied“.

Das brutalistische Ihme-Zentrum wird zur Halle des Bergkönigs: Corinna Harfouch in „Solveigs Lied“ Foto: Micha Neugebauer/NDR

Bremen taz | Sie gehören zu bekanntesten Orchesterstücken der klassischen beziehungsweise romantischen Musik: „In der Halle des Bergkönigs“, „Solveigs Lied“ oder die „Morgenstimmung“ können viele wohl aus dem Gedächtnis pfeifen. Da ist es einleuchtend, dass Edvard Griegs „Peer Gynt“-Suiten eine der ersten Produktionen des neuen NDR-Videoformats „Konzert Plus“ gewidmet ist. Seit dem 22. April – ganz genau: um Mitternacht – ist der Film gratis im Netz zu sehen.

Auch die NDR-Radiophilharmonie muss sich Alternativen zum brach liegenden Konzertbetrieb suchen: Unter normalen Bedingungen gibt das in Hannover ansässige Orchester über 100 Live-Konzerte, die dann größtenteils im Radiosender NDR Kultur gesendet werden. Im Fernsehen ist es dagegen eher selten zu sehen – „Hochkultur“ gilt auch unter Öffentlich-Rechtlichen gern als Quotenkiller. Und so landen auch die „KonzertPlus“-Produktionen erst mal ausschließlich im

Mit insgesamt 26 Sätzen sind Griegs zwei Suiten ein orchestrales Monumentalwerk, das nur selten vollständig aufgeführt wird. Die sieben bekannteste Sätze passen dagegen gut in ein knapp 50 Minuten langes Programm – da bleibt sogar noch Zeit für ein Rahmenprogramm: Für „Konzert Plus“ werden die jeweils gespielten Kompositionen „in erweiterte Kontexte gestellt“, erfahren wir im Pressetext, „verbinden sich mit Filmbildern, Texten, Schauspiel, Interviews und mehr“. Bei Peer Gynt bot sich das umso mehr an, als Edward Grieg damit eine „Schauspielmusik“ zu einem dramatischen Gedicht Henrik Ibsens komponierte, aus dem dieser eine Bühnenfassung entwickelte.

Wie schon bei der Auswahl der berücksichtigten Sätze war auch hier radikale Reduzierung nötig: Regisseur Alexander Radulescu entschied sich dafür, die Episoden, auf welche sich Griegs Musik bezieht, in wenige prägnante Sätze zusammenzufassen. Diese legt er Solveig in den Mund, der ewig auf ihren geliebten Peer wartenden Frau, nun gespielt von Corinna Harfouch: Sie hält einen großen, von Radulescu selbst verfassten Monolog, in dem sie – den konsequenterweise im Film gänzlich abwesenden – Peer anspricht, mit viel Melancholie, und so die musikalischen Sätze in der Erzählung verortet.

Genauer Blick auf die Partitur

Mal sitzt sie dabei auf einer Parkbank und strickt, im Satz „Asses Tod“ dann pflegt sie ein altes Grab, und während der „Halle des Bergkönigs“ wandelt sie durchs Industrieruinen-Ambiente in Hannovers Ihme-Zen­trum. Ist die Bildfindung oft sehr offensichtlich, leistet sich Radulescu manchmal aber auch ein Augenzwinkern: Zum „Arabischen Tanz“ sinniert Harfouch in einem Chinarestaurant, und wenn sie einige Verse aus Ibsens Text rezitiert, sieht man sie tatsächlich das entsprechende ­Reclambändchen lesen.

Doch die Hauptsache ist die Musik, und die wurde mit genauem Blick auf die Partitur aufgenommen. So sieht man nun jeweils die Mu­si­ke­r*in­nen in Nahaufnahme, die gerade etwas Interessantes spielen. Den In­stru­men­ta­lis­t*in­nen und dem Dirigenten Hossein Pishkar lässt sich gut bei ihrer Arbeit zusehen – besser als das von den Rängen in einem realen Konzert möglich wäre. Auch der rhythmische Schnitt macht deutlich: Hier war ein Filmteam am Werk, das sein Handwerk versteht, und das ist gerade bei Konzertfilmen alles andere als selbstverständlich.

Und da das so gefilmte Konzert in einem echten Konzertsaal stattfindet, sieht man im Hintergrund auch die leeren Stuhlreihen – als ständige Erinnerung: Das alles kann nur ein Ersatz sein für ein wirkliches Erlebnis.

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