Barbara Oertel über die Verfassungsänderung in Kirgistian
: Demokratie-Experiment beendet

Das Motto lautet: Ein Mann will nach oben, und das mit aller Macht. Diesem Ziel ist der kirgisische Staatschef Sadyr Japarow am Sonntag noch einen Schritt nähergekommen. Zwar blieb die Wahlbeteiligung mit knapp 36 Prozent überschaubar. Dennoch hat eine Mehrheit der Wäh­le­r*in­nen mit ihrem Ja zu weitreichenden Verfassungsänderungen Japarow den gewünschten Freifahrtschein ausgestellt.

Der Präsident kann künftig bei Besetzung und Abberufung von wichtigen Posten in der Regierung und der Justiz mitreden. Demgegenüber ist das verkleinerte Parlament auf die Rolle eines Statisten reduziert – checks and balances waren gestern. Auch die Zivilgesellschaft sieht dunklen Zeiten entgegen. Schwammige Formulierungen wie der „Schutz moralischer Werte“ sind das ideale Einfallstor, um so grundlegende Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszuhebeln. Und so dürfte das demokratische Experiment, das das zentralasiatische Land einst zu einem kleinen „Leuchtturm“ inmitten seiner autokratisch regierten Nachbarn gemacht hatte, wohl vorerst beendet sein.

Japarow wird seine neuen Möglichkeiten nutzen – so viel steht fest. Dass es der selbsternannte Antikorruptionskämpfer mit nationalistischen Tönen mit demokratischen Werten jedoch nicht so genau nimmt, zeigte auch die jüngste Volksabstimmung. Eine breite öffentliche Debatte zuvor fand nicht statt. Auch am Tag der Abstimmung protokollierten unabhängige Be­ob­ach­te­r*in­nen wieder zahlreiche Verstöße gegen geltende Gesetze. Die Ironie der Geschichte dabei ist, dass es die Proteste gegen die gefälschte Parlamentswahl vom vergangenen Oktober waren, die Japarows politische Blitzkarriere erst möglich machten.

Jetzt muss der „Allmächtige“ liefern, was wahrlich kein Selbstgänger ist. Viele Menschen in Kirgistan haben mit wachsenden Existenznöten zu kämpfen. Doch die Geduld der Kir­gi­s*in­nen ist endlich, wie die Geschichte zeigt. Bereits drei ihrer Präsidenten haben sie vom Hof gejagt. Warum nicht auch ein viertes Mal?

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