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Berliner StiftungswocheSelbstloses Tun, für alle

Ab Dienstag präsentieren bei der Berliner Stiftungswoche hiesige Stiftungen ihr Engagement. Das diesjährige Motto ist „Eine Frage des Klimas“.

Den Wal retten, kann man mit der richtigen Stiftung auch in Berlin Foto: John Hyde/imago

Berlin taz | „Tue Gutes und rede darüber“ war der Titel eines Buchs aus dem Jahr 1961. Der Autor, Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, ist heute weitgehend vergessen. Er starb 1993. Sein Buchtitel aber ist zum geflügelten Wort geworden. Nur vernachlässigen oft gerade diejenigen den zweiten Teil des Satzes, die tatsächlich Gutes tun. Wie die vielen Stiftungen in Berlin, die sich gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken widmen. Das mag vielleicht daran liegen, dass das Wesen einer Stiftung schon qua Gesetz als „selbstlos“ definiert wird.

Um dem Schweigen in eigener Sache abzuhelfen, gibt es deshalb einmal im Jahr die Berliner Stiftungswoche. In diesem Jahr findet sie zum zwölften Mal statt. Sie ist so etwas wie eine Werbeveranstaltung für die Aktivitäten der in Berlin ansässigen und aktiven Stiftungen. Darunter eher kleine wie die Alexander und Renata Camaro Stiftung, die sich hauptsächlich der Pflege des Nachlasses des Künstlers Alexander Camaro widmet, und ganz große wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die das kulturelle Erbe der ganzen Menschheit im Blick hat.

Besonders für die Stiftungen, die für die größere Öffentlichkeit eher im Verborgenen arbeiten, ist die Stiftungswoche ein Format, das „Sichtbarkeit“ erzeugen soll, wie der Geschäftsführer der Berliner Stiftungswoche, Stefan Engelniederhammer, im Gespräch gegenüber der taz betont. Trotz der aktuellen Umstände wegen Corona wird es auch im diesem Jahr einen Reigen von Veranstaltungen geben, mit denen sich eine Auswahl von rund 80 der in Berlin vertretenen Stiftungen mit ihrer Arbeit vorstellen.

Eine Frage des Klimas

Selbstlos: An der zwölften Berliner Stiftungswoche vom 13. bis 23. April beteiligt sich nicht ganz ein Zehntel aller in der Hauptstadt ansässigen Stiftungen. Stiftungen arbeiten als gemeinnützige Körperschaften „selbstlos“, das heißt: ohne Profitinteresse. Sie widmen sich qua gesetzlicher Definition mildtätigen Zwecken, etwa der Jugend- und Altenhilfe, aber auch dem Naturschutz, sie fördern Kultur und Wissenschaft und unterstützen das Gesundheitswesen.

Besonders: Die Stiftungswoche ist eine Berliner Besonderheit, da die Initiatoren aus dem Kreis der hier ansässigen Stiftungen einen Nachholbedarf im Stiftungswesen erkannten, der durch Nazi-Zeit und realem Sozialismus in der einstigen Stiftungshauptstadt entstanden sei. Die diesjährige Stiftungswoche mit dem Motto „Eine Frage des Klimas“ findet wegen der Pandemielage fast komplett online statt. Programm und weitere Informationen: www.berlinerstiftungswoche.eu

Das meiste muss in den gegenwärtigen Pandemiezeiten allerdings online stattfinden. So auch die Auftaktveranstaltung am Dienstag „zur Tea-Time“ um 17 Uhr mit einer Gesprächsrunde zum diesjährigen Motto der Stiftungswoche. Es lautet: „Eine Frage des Klimas“.

Nicht nur bloße Lückenbüßer

Das Thema soll durchaus mehrdeutig verstanden werden. Einmal geht es thematisch um den menschengemachten Klimawandel und was man dagegen tun kann. Zum anderen ist auch das gesellschaftliche Klima gemeint, das in Krisenzeiten nicht unbedingt humaner geworden ist.

Dabei sind viele Stiftungen gerade diesem Anliegen verpflichtet, wenn sie sich etwa Menschen mit Behinderungen widmen, wenn sie lernschwache Kinder unterstützen oder wenn sie Mühseligen und Beladenen helfen, egal woher sie kommen. Eine Vielzahl auch der Berliner Stiftungen übernimmt mit solchen Aktivitäten Aufgaben, wo der Staat Lücken lässt.

Die Stiftungen als bloße Lückenbüßer zu charakterisieren, würde trotzdem nicht passen. Vor allem, weil es eben viele Menschen gibt, die ihre oft ehrenamtliche Arbeit in und für Stiftungen mit Freude und Gewinn tun, wobei Letzteres viel mehr meint als Monetäres. Auch das vielleicht ein Anlass, sich innerhalb der Stiftungswoche einmal umzutun, was, wo und wie bei den Berliner Stiftungen passiert.

Stefan Engelniederhammer betont überdies mit Verve, die Teilnehmer der Stiftungswoche stünden „als wache Stimme für eine offene Gesellschaft in einer liberalen Demokratie“.

Mit Haltung

Es wundert also nicht, dass Stiftungen mit „Haltung“ wie etwa auch die Panter Stiftung der taz wieder mit dabei sind. Eher auffällig ist dagegen, dass die früher bei der Woche vertretene CDU-nahe Adenauer-Stiftung oder die SPD-nahe Friedrich Ebert Stiftung diesmal nicht teilnehmen. In diesem Jahr fehlt etwa ein Fünftel der sonst üblichen Anzahl von Stiftungen, was aber, so Engelniederhammer, auch mitunter daran liege, dass manche, insbesondere die kleineren Stiftungen einfach organisatorische Schwierigkeiten hätten, derzeit alles im Homeoffice auf Onlineformate umzustellen.

Auch die Organisation der Stiftungswoche selbst musste bei der Vorbereitung zweigleisig fahren, weil im Vorfeld nicht klar war, was analog und im wahren Leben würde stattfinden können. Im vergangenen Jahr ohne Corona, 2019, konnte man noch 15- bis 16.000 Menschen erreichen, mit Lesungen, Theater, Führungen, Workshops und so weiter. Diesmal werden es online wohl weniger sein. Und es ist überhaupt die Frage, wie beteiligt man online sein kann.

Bei Stiftungseinrichtungen wie der Fürst-Donnersmarck-Stiftung zum Zwecke der „gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ zeigt sich eben, dass „online“ nicht alles ist. Wie will man etwa jemanden auf digitalem Weg die Hand halten? Wo gibt es Inklusion und ein „Mittendrin, so wie ich bin“, wenn ohnehin keiner mehr real anwesend ist?

Bei Veranstaltungen wie der Kochshow der Koepjohann'schen Stiftung für ältere Menschen im Kiez oder der Entdeckungsreise mit der Heinz Sielmann Stiftung durch die schönsten Lebensräume in „Heimat Natur“ ist die Onlineversion bei der Stiftungswoche wahrscheinlich leider auch nur der halbe Spaß.

Digital kaum weniger eindringlich wird hoffentlich die diesjährige Stiftungsrede zum aktuellen Klimamotto von Antje Boetius ausfallen. Boetius ist Meeresbiologin, Klimaexpertin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Ihre Rede ám 20. April liefert gleichsam das inhaltliche Herzstück der aktuellen Stiftungswoche.

Dass die Stiftungswoche während der Pandemie überhaupt stattfindet, ist schon jetzt ein Erfolg. Und ein noch größerer Erfolg wäre es natürlich, wenn sie anregen könnte zu noch mehr Engagement. Das kann und soll auch darin bestehen – so ist es politisch gewollt und daher steuerlich absetzbar –, zu spenden.

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