Defa-Stiftung: Wächter des DDR-Kinoerbes

Die Defa-Stiftung verwaltet den Filmstock der DDR und versucht Kinobesucher auch für unbekanntere Streifen zu begeistern. Das gelingt im Ausland weitaus besser.

Der war auch bei der defa: Winnetou-Darsteller Gojko Mitic. Bild: ap, Christof Stache

Der Wächter des Filmschatzes der DDR sitzt im vierten Stock eines Altbaus in Mitte. Mehr als 10.000 Kinostunden hat die Deutsche Film AG der DDR, kurz Defa, dem vereinten Deutschland hinterlassen. Über die Kinofilme, Dokumentationen, Trickfilme und Synchronfassungen ausländischer Streifen wacht Helmut Morsbach, der Vorstand der Defa-Stiftung. Sie wurde 1998 von der Bundesregierung gegründet, um das Kinoerbe der DDR zu erhalten und ist eine der 700 Stiftungen, die sich in Berlin gemeinnützig engagieren (siehe Kasten).

DDR-Klassiker wie "Die Legende von Paul und Paula" oder "Spur der Steine" kennen inzwischen auch die meisten Westdeutschen. "Unser Job ist es, neben solchen Hits auch unbekannte DDR-Streifen aus der Versenkung zu holen", erklärt Morsbach. Er kennt jeden der knapp 1.000 Spielfilme, die in dem Babelsberger Studio für das sozialistische Kino gedreht wurden. Heute firmiert das inzwischen 99-jährige Studio wieder wie vor der Defa-Gründung unter dem Namen "Studio Babelsberg".

Die 12.000 Filmspulen lagern allerdings nicht im Büro von Helmut Morsbach, sondern im Bundesfilmarchiv in Wilmersdorf. Das Stiftungsvermögen in Höhe von acht Millionen Euro besteht aus den Rechten an dem Filmstock und dem Verkaufserlös des alten Programmkinos "Börse" in Mitte, das bis 2003 zur Stiftung gehörte. Die gemeinnützige Organisation verwaltet und katalogisiert den Bestand, muss ihn aber auch für die Kino- und Fernsehnutzung nach und nach digitalisieren. Jedes Jahr bringen Verleih und Verkauf von Filmen oder Ausschnitten etwa eine Million Euro ein. Das Geld wird verwendet, um Filmreihen zu organisieren, Publikationen über die DDR-Filmlandschaft herauszugeben und Künstler zu fördern.

Von heute bis zum 10. Juni findet die 1. Berliner Stiftungswoche statt. 77 der etwa 700 Berliner Stiftungen stellen ihre Arbeit in den Bereichen Kultur, Kinder- und Jugendförderung, Umwelt und Wissenschaft vor. Zu den 80 Veranstaltungen gehören Ausstellungen, Diskussionen und Filmabende.

So wird im Ballhaus Ost vom 3. bis 5. Juni mit Musik, Theater und Filmen osteuropäisch gefeiert. Vom 10. bis 13. Juni tanzen Schulklassen gemeinsam mit Profis im Radialsystem, dessen hauseigene Stiftung künstlerische Bildungsprojekte initiiert. Im Schloss Britz gibt es eine Ausstellung über Rauch- und Wohnkultur und kostenlose Führungen.

Außerdem veranstaltet die Stiftungsrunde, die diese Woche ins Leben gerufen hat, eine Veranstaltungsreihe mit Disksussionen zu Aufgaben und Effizienz von gemeinnützigen Organisationen. Infos zu allen Veranstaltungen: www.berlinerstiftungswoche.eu

Eine Recherchestipendium für seinen neuen Film hat gerade der Regisseur Christian Schwochow bekommen, dessen Debütfilm "Novemberkind" 2009 für den Deutschen Filmpreis nominiert war. Zudem lobt die Stiftung jährlich Preise aus, auch für Arbeiten, die nichts mit DDR-Aufarbeitung oder ostdeutscher Filmlandschaft zu tun haben.

Und manchmal werden Morsbach und die fünf Stiftungsmitarbeiter zu Detektiven, wenn es darum geht, verloren geglaubte oder verbotene Filme wiederzufinden, wie im Fall von "Die Taube auf dem Dach". Anfang der 70er Jahre gedreht, passierte der Streifen die DDR-Zensur nicht. Die Charakterisierung der Hauptfiguren - ein unangepasster Arbeiter und eine Frau zwischen zwei Männern - wurden als Angriff gegen die DDR gewertet. Entgegen der sonstigen Praxis wurde der Streifen nicht im staatlichen Filmarchiv aufbewahrt, sondern vernichtet.

Nach der Wende tauchte eine fast zerstörte Arbeitskopie auf und konnte wiederhergestellt werden, verschwand danach aber abermals. Die Defa-Stiftung startete im vergangenen Jahr eine Suchaktion und fand die Kopie über den Insolvenzverwalter der ehemaligen Defa-Kopierwerke in Babelsberg. 30.000 Euro hat die Stiftung in die erneute Rekonstruktion gesteckt, im Herbst soll er ins Kino kommen.

Doch in Deutschland bleiben viele Kinoreihen leer, wenn die alten Ost-Streifen laufen. 2008 löste der Regisseur Volker Schlöndorff mit seiner provokanten Feststellung "Defa-Filme sind furchtbar" einen Protestschrei unter - vor allem ostdeutschen - Filmschaffenden aus. Die Stiftung verwahrte sich in einem Offenem Brief gegen das Pauschalurteil. "Schlöndorff hat uns damals bekannter gemacht als zehn Jahre Pressearbeit", erzählt der Stiftungsvorstand Morsbach heute. Deutsche Fernsehsender und Kinos ignorieren das DDR-Filmerbe dennoch.

Nicht so im Ausland. "Unsere Retrospektive im MoMA in New York lief super, in Israel waren die Kinos ausverkauft", erzählt der Filmexperte. Die Filme werden dafür englisch untertitelt, für die Vorführung in Israel vor drei Jahren hat die Stiftung sogar 15 Filme mit hebräischen Untertiteln versehen.

Neben Spielfilmen gehören zu dem Defa-Erbe knapp 6.000 Dokumentarfilme und die Wochenschauen, die bis 1980 in den DDR-Kinos vor dem Hauptfilm liefen. Zudem hat die Stiftung vor drei Jahren die Firma Defa spektrum gegründet. Diese verwaltet Dokumentationsmaterial aus übernommenen Archiven wie etwa dem des DDR-Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Zudem kaufte die Stiftung 2004 das Privatarchiv des Filmhistorikers Thomas Grimm. Das enthält 2.500 Stunden Interviews mit Zeitzeugen des vergangenen Jahrhunderts, neben bekannten Intellektuellen wie Hans Mayer, Heiner Müller oder dem Historiker Eric Hobsbawm hat der Filmemacher auch unbekanntere Leute interviewt, DDR-Bürgerrechtler, Pfarrer oder Wissenschaftler. "Ein Archivort wie die Defa-Stiftung kann das Material gebündelt viel besser pflegen und verbreiten", erklärt Grimm

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.