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Abschiebung in den IranDie Bibel ist kein Märchenbuch

Mohammad Jaffari droht die Abschiebung in den Iran. Eine Richterin glaubt nicht, dass er Christ ist, weil er die Bibel wie ein normales Buch las.

Vorsicht, nicht von vorn nach hinten lesen! Sonst droht die Abschiebung Foto: Lukas Schulze/dpa

Hamburg taz | Unser Löwe auf der Flagge wurde beraubt / Und die Sonne darauf zu Flammen wurde erlaubt / Dann hat ein Symbol namens Allah alles versaut / Das Lachen und Freude im Iran wurde allen geklaut.“ Dieser Vers eines von ihm verfassten Gedichts könnte Mohammad Jaffari das Leben kosten.

Jaffari, 28 Jahre alt, ist im Iran geboren. Seit 2015 lebt er in Deutschland, bislang mit einer Duldung. Nun droht ihm die Abschiebung. Obwohl Jaffari als Christ und Regimegegner im Iran mit Folter oder Tod rechnen muss, will ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Aufenthalt gewähren.

Jaffari ging dagegen in den Rechtsstreit und verlor. Die Richterin glaubte ihm nicht, dass er Christ sei, unter anderem, weil er angegeben hatte, die Bibel von vorn bis hinten durchgelesen zu haben. „Das macht deutlich, dass er sich nicht vertieft mit der Bibel befasst hat“, argumentierte die Richterin. „Denn sonst wüsste er, dass eine Bibel kein normales Buch ist, das man von Anfang bis Ende durchliest.“

Jaffari kann sich mit einem so starren Verständnis von Religion nicht identifizieren: „Für mich gibt es nicht eine Religion. Es gibt Wege zu Gott und das hier ist mein Weg und auf dem bin ich richtig.“ Jaffaris Weg zum Christentum begann 2015, da war er 22 Jahre alt und lebte mit seiner Mutter in Karadsch. Sein Vater war Regimegegner und schon vor Jaffaris Geburt in die Niederlande geflohen. Seine drei Geschwister gingen hinterher, der zuletzt Geborene blieb bei der Mutter.

Ein Freund habe ihm von Jesus und vom Christentum erzählt, sagt Jaffari. Das habe ihn beeindruckt und er habe sich entschieden, Jesus zu folgen. „Mir ist egal, woher Jesus kam und wer er war“, sagt Jaffari. „Wir alle sind Gottes Kinder. Für mich zählen seine Taten.“

Wunden reichen nicht als Beweis

Taten zählen auch für die Lüneburger Verwaltungsrichterin, und die vermisst sie bei Jaffari. Zwar verkenne sie nicht, dass der Kläger über Kenntnisse der christlichen Religion verfüge, gleichwohl habe er nicht den Eindruck hinterlassen, dass er die religiöse Betätigung im Sinne einer inneren christlichen Überzeugung für sich selbst als verpflichtend empfinde. Alles in allem kommt die Richterin zu dem Schluss, dass nicht davon auszugehen sei, dass dem Wahlhamburger bei einer Abschiebung in den Iran eine Verfolgung drohe.

Auch zwei Wunden reichen der Richterin nicht als Beweis, die Jaffari am Oberkörper hat. Nach dem heimlichen Besuch einer Hauskirche in Karadsch seien fünf Männer auf ihn zugestürmt und hätten ihn niedergestochen, gab er vor Gericht an. In einer vierstündigen Notoperation hätten Ärz­t*in­nen ihm das Leben gerettet. Danach habe er beschlossen zu fliehen.

Nach Ansicht der Richterin liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angriff mit seiner möglichen Konversion zum Christentum zu tun gehabt habe. „Aber warum sollte es sonst passiert sein?“, fragt Jaffari. „Jeder in meiner Nachbarschaft kannte mich, niemand hatte was gegen mich.“

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Lüneburger Verwaltungsrichterin Ende Januar. Der rechtliche Weg ist nun ausgeschöpft. Das Bundesamt forderte den Iraner daraufhin zur „freiwilligen“ Ausreise bis Mitte März auf.

Jaffari, den seine Freun­d*in­nen Momo nennen, schläft seitdem jede Nacht woanders. Er hat die Verpflichtung zur „freiwilligen“ Ausreise nicht unterschrieben. Nun hat er Angst, festgenommen und in Abschiebehaft gebracht zu werden. Zum Glück habe er viele Freund*innen, die ihn unterstützen, sagt Jaffari.

Er ist ein Paradebeispiel für gelungene Integration. Weil er mit seiner Duldung kein Recht auf einen Platz im Deutschkurs hatte, brachte er es sich mit einem Freund bei. „Sprache ist mir wichtig“, sagt Jaffari, der auch Rapper ist und im Internet Videos und selbst geschriebene Gedichte veröffentlicht, in denen er das iranische Regime kritisiert. Die Videos seien auch im Iran angeklickt worden.

Petition gegen die Abschiebung

Weil die Möglichkeiten, im Leben weiterzukommen, in Tötensen, wo er gemeldet war, beschränkt waren, kam er nach Hamburg und lehrte an der Hip-Hop-Academy Breakdance und Parcours. Er machte den mittleren Schulabschluss und absolvierte ein freiwilliges soziales Jahr an der Nelson-Mandela-Schule, anschließend machte er eine Ausbildung zum Sozialpädagogischen Assistenten.

Eine Freundin initiierte eine Petition gegen die Abschiebung, fast 10.000 Personen unterschrieben. Außerdem läuft eine Kampagne auf Instagram, wo solidarische Use­r*in­nen unter dem Hashtag #momobleibt ihr Gesicht zeigen. Seine letzte Hoffnung aber ist eine Weiterbildung zum Erzieher, die ein Abschiebehindernis darstellen könnte. Dafür hat er bereits einen Platz an einer staatlichen Fachhochschule sowie einen Praktikumsplatz. Im August geht es los, falls er dann noch da ist.

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10 Kommentare

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  • Mittlerweile bin ich zwar kein Mitglied irgendeiner Religionsgemeinschaft mehr, habe aber eine sonst recht kath. Religionserziehung erhalten. Zu meiner Kommunion hatte ich von meiner Oma eine Kinderbibel bekommen, in dieser waren Großteile der "Überlieferungen" in Geschichtenform erzählt. Diese habe ich ebenfalls von vorne bis hinten gelesen, wohingegen weitere Ausführungen der Bibel eher ungelesen blieben. Wenn man die Anzahl der Übersetzungen etc. berücksichtigt, gibt es so viele Unterschiede. Wobei das auch ziemlich irrelevant ist, wie und ob und wieviel er von welcher Bibel gelesen hat. Entweder man glaubt an etwas oder man glaubt nicht daran, aber, dass eine Richterin, das zu beurteilen vermag, ist sehr beeindruckend. Es gibt Menschen die "Kämpfen/Arbeiten" für ihre Zukunft und bekommen dann alles zerstört. Andere wiederum werden dann auch nach der wiederholten Straftat mit der deutschen "Gnade" bedacht. Aus irgendeinem Grund scheint es immer die Falschen zu treffen.

  • Das Gerichtsverfahren ist doch schon fast verfassungswidrig. Niemand darf wegen seiner Religion benachteilig oder bevorzugt werden! GG, POLITISCH verfolgte geniessen Asyl, kein Wort zu religiösen Quertreibern!

    • @Wolfgang Schönfelder:

      Religiöse Verfolgung im Iran ist auch politisch, weil eine radikale Richtung des schiitischen Islam dort Staatsreligion ist.

      Man hört übrigens auch, dass die Konversion muslimisch sozialisierter Iraner zu religiösen Minderheiten wie Zoroastrismus und Christentum häufig primär ein Ausdruck der Ablehnung des gegenwärtigen iranischen Staates bzw. Regimes ist. So gesehen könnte man argumentieren, dass Jaffari, selbst wenn er keine "innere christliche Überzeugung" haben sollte, den Eindruck eines politischen Dissidenten macht. Ein solcher hat, wie Sie selbst schreiben, Anspruch auf Asyl.

      Der eigentliche Skandal ist ja aber, dass Deutschland als reiches Land überhaupt Regeln hat, wer Schutz suchen darf und wer nicht. Schließlich können wir es uns leisten, anderen zu helfen, woraus auch die Verpflichtung dazu erwächst. Hunger und Armut sind müssen endlich auch als legitime Fluchtgründe anerkannt werden. Wir brauchen da auch keine Obergrenzen aus Furcht vor Versorgungsengpässen, weil insbesondere Armutsflüchtlinge ohnehin nicht mehr zu uns kämen, wenn ihre Perspektive hier schlechter wäre als anderswo. Ein für die Gesellschaft tragbares Maß würde sich also von selbst einpendeln - vorausgesetzt, alle Grenzen wären offen.

  • Einfach unfassbar, als ob alle die sich hier in Deutschland immer als Christen bezeichnen die Bibel "durchgearbeitet" hätten.



    Diese Richterin sollte wegen Befangenheit aus ihrem Amt gehoben werden. Kann ja von mir aus Einsprüche gegen Parkverstöße bearbeiten.



    Mein Wunsch wäre ja, dass die Trennung von Kirche und Staat irgendwann auch mal faktisch umgesetzt wird und nicht immer nur so getan wird als gäbe es selbige.

    • @Bron Knatterton:

      Unfassbar finde ich den Fall auch, aber manches beurteiel ich dennoch anders als Sie.

      Wie Christen die Bibel lesen, unterscheidet sich enorm. Da gibt es zum einen konfessionell geprägte Gepflogenheiten, aber letztlich kann es auch sehr individuell sein. Natürlich spielt die aufmerksame Lektüre einzelner, bedeutsamer Perikopen, die in den Gottesdiensten vorgelesen werden und über die gepredigt wird, für viele die größte Rolle. Wer aber besonders neugierig und vielleicht auch ein Stück weit ehrgeizig ist, liest auch den Rest, und warum nicht auch mal von vorn bis hinten an einem Stück? Dauert halt eine Weile.

      Übrigens: Kein reflektierter Christ wird eine "innere christliche Überzeugung" für eine messbare Größe halten. Das sind graduelle Unterschiede; die einen haben einen tieferen Glauben als die anderen und bei vielen schwankt es phasenweise. Auch das Ausmaß der intellektuellen Beschäftigung mit Glaubensinhalten ist unterschiedlich. Manche denken gar nicht viel darüber nach, gerade WEIL es für sie selbstverständlich ist.

      Was für die Frage, ob man jemanden als einen Christen bezeichnen kann, viel relevanter ist, ist die Frage, ob er getauft ist. Durch die Taufe wird man in die Christenheit aufgenommen, nicht, weil man durch sie automatisch wie ein Christ denken würde, sondern weil sie eine heilige Handlung ist, ein Sakrament. Aber das kapiert die Richterin offenbar nicht, weil sie einen eher säkularen Blick auf Religion hat. Kirche und Staat erweisen sich gerade in diesem Fall als meilenweit voneinander entfernt.

      Was in diesem Verfahren aber viel schwerer wiegt als das Verhältnis von Religion und Staat in Deutschland, ist das entsprechende Verhältnis im Iran. Man geht offenbar davon aus, dass Jaffari nur im Falle einer "inneren christlichen Überzeugung" Opfer von Verfolgung im Iran sein könne -- ohne zu bedenken, dass die Täter auch keine Gedanken lesen können. Für die reichen im Zweifelsfall schwächere Anzeichen als für die deutsche Justiz mit ihrer Abschiebewut.

  • Abgesehen davon, dass es nicht Sache des Gerichts sein darf über die richtige Religionsauslegung/-ausübung zu urteilen, sollte man meinen, dass es für die Entscheidung eigentlich auch gar nicht relevant sein dürfte ob Jaffari nun ein 'wahrer Christ' ist oder nicht, entscheidend sollte allein sein, dass alles dafür spricht, dass das iranische Regime dies annehmen wird und ihm daher Lebensgefahr droht.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Ingo Bernable:

      Danke. Was eine Richterin als "wahres Christentum" anerkennt oder nicht, sollte keinerlei Relevanz für ein Gerichtsurteil haben.

  • 0G
    04369 (Profil gelöscht)

    Mich berührt es ein ums andere Mal, so ein kluger und rühriger Geist in den siebenten Höllenkreis zurück entsandt werden soll. Aber es hilft nichts, verbeamtete Vollstrecker, die nicht die leisten Ahnung haben, was es bedeutet, mit dem Tod bedroht zu werden, brauchen eine starke Bildersprache. Die Richterin muss wissen, dass sie dieses Leben auf dem Gewissen hat. Christliches rezitiert und digitales betteln hilft dir kein bisschen Mohammad.

  • Ich habe ich Bibel auch schon mal gelesen. Muss ich jetzt auch nach Persien? Mal ehrlich, wer von uns tollen Christen hat den schon mit der Bibel gearbeitet? Nur lesen gilt ja nicht.....

  • Falls er wirklich in den Iran abgeschoben und dann festgenommen und gefoltert oder gar zum Tode verurteilt wird, wird die Richterin irgendwelche Konsequenzen erfahren? Wahrscheinlich nicht.