Roma Biennale ein halbes Jahr lang: Eröffnet Roma-Botschaften!
Zum Auftakt der zweiten Roma Biennale soll eine Parade darauf hinweisen, dass das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma weiterhin bedroht ist.
Delaine le Bas ist Teil der Künstler*innen, die die zweite Roma Biennale mit ihren Werken am Donnerstag eröffnet – obwohl sie selbst pandemiebedingt nicht in Berlin sein wird. Zu sehen sein wird dann auch der von ihrem Sohn Damian James le Bas eigens für die Biennale gestaltete Truck, der die Roma-Day-Parade anführen soll (siehe Info-Kasten). „Romani Embassy ist ein Symbol“, sagt Le Bas der taz. „Es kann ganz klein und einfach sein: meine Kunst passt oft in einen Koffer“, sagt sie. „Mein Ausgangspunkt war tatsächlich eine beschriftete Pappe, wie sie auch wohnungslose Menschen oft haben.“
Im Zentrum von Romani Embassy stehe die Idee, dass Menschen, die sich in Situationen befinden, in denen sie besonders verwundbar sind, oft ihrer Rechte beraubt würden. „Wer von keiner Botschaft vertreten wird, kann auch nicht einfach in ein Flugzeug steigen und wegfliegen, wenn das eigene Leben in Gefahr ist“, sagt Le Bas.
Die Frage, wer eigentlich die Interessen der Roma und Sinti vertritt, besonders wenn sie in Bedrängnis geraten, ist auch auf anderen Ebenen Thema der Biennale. Im Fokus der Veranstaltungen steht das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Tiergarten, das derzeit in seiner jetzigen Form durch ein Bauprojekt bedroht ist.
„Unser Denkmal ist unantastbar“
Die S-Bahn-Trasse, die einmal den Hauptbahnhof nach Norden und Süden mit dem Ring verbinden soll, wird nach derzeitigen Plänen das Denkmal beeinträchtigen. Es stehen verschiedene Szenarien im Raum, die den Zugang zum Denkmal einschränken könnten und die Umgebung oder sogar Teile des Denkmals selbst verändern würden. Anfangs war sogar von einem zeitweisen Abbau des Mahnmals die Rede. Nach heftigem Protest zog die Bahn diese Pläne zurück.
Der Zentralrat der Sinti und Roma zeigte sich gesprächsbereit. Zahlreiche Selbstorganiationen und Initiativen fordern dagegen, das Mahnmal ganz unberührt zu lassen. Der Senat solle es – analog zum Holocaust-Mahnmal – zu einem Zwangspunkt erklären, der von Bauvorhaben nicht beeinträchtigt werden dürfe.
Noch am Holocaust-Gedenktag Ende Januar hat Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) Medienberichten zufolge erklärt, dass der S-Bahn-Bau den Raum des Denkmals „berühren“ werde. „Das Mahnmal existiert gerade mal neun Jahre, und schon soll es wieder angetastet werden“, sagt Biennale-Kurator Hamze Bytyçi. „Das fühlt sich nicht so an, als ob wir gleichberechtigt sind.“
Das Mahnmal sei damals ein Versprechen gewesen. „Wenn nun Bäume gefällt werden, ist das der erste Schritt. Ich will mich nachher nicht von meinen Kindern fragen lassen: warum habt ihr das zugelassen?“, sagt er. Das Mahnmal sei daher auch der Anker für die Biennale, die dort beginnt und mit dem 9. Jahrestag seiner Einweihung am 21. Oktober endet. Dazu soll es unter anderem um die Bürgerrechtsbewegung, Abschiebungen, die Situation von Spargelerntehelfer*innen und Diskriminierung in der Pandemie gehen.
Kunst auf Straßen, aber auch im Wohnzimmer
Die erste Roma Biennale fand 2018 in Berlin statt; für das Frühjahr 2020 war die zweite geplant, die wegen Corona um ein Jahr verschoben wurde. Nun stand man wieder vor der Frage, wie sich die Kunstwerke so zeigen ließen, dass sie trotz Pandemie einen gesellschaftlichen Widerhall fänden. „Wir haben dann überlegt, wie wir etwas schaffen können, auf das Menschen vielleicht zufällig stoßen“, sagt Kuratorin Le Bas.
Mit Postern wollen sie daher die Kunst auf Straßen und Plätze tragen, aber auch Wohnzimmer und Flure zur Ausstellungsfläche machen: Deshalb können die Poster von jede*m auf der Webseite heruntergeladen und ausgedruckt oder in Kiezcafés und Buchläden wie Kisch & Co abgeholt werden. „Die Chance ist, dass wir damit sogar in der Community breiter und internationaler wahrgenommen werden“, sagt Bytyçi.
Die Biennale selbst findet ausgedehnt auf fünf Phasen statt, die sich an Jahres- und Gedenktagen ausrichten: Von „Selbstbekenntnis“ über „Widerstand & Resilienz“ ab dem 16. Mai, „Überleben“ zum Welttag der Migration am 20. Juni, „Erinnern“ zum Gedenktag an den Genozid an den Sinti und Roma am 2. August bis zu „Existenz“. Zu den Terminen sind jeweils Onlineveranstaltungen oder – so die Lage es zulässt – auch Treffen oder öffentliche Aktionen geplant.
Wie die von Delaine le Bas und ihrem Poster mit dem Romani-Embassy-Schriftzug zum Ausdrucken: So könnten punktuell zahlreiche Roma-Botschaftszweigstellen über die Stadt verteilt entstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Krieg gegen die Forschung
Byebye Wissenschaftsfreiheit
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“