piwik no script img

Doku über HeimatNichts ohne Leberwurst

König Bansah von Ghana arbeitet in Ludwigshafen als Automechaniker. Seine Tochter ist in Deutschland geboren und aufgewachsen.

In der deutschen Provinz: Die Regierungsgeschäfte erledigt König Bansah nach Feierabend am Handy Foto: Marcus Winterbauer/ZDF

Okay, Meghan und Harry sind lieber nach Kalifornien gegangen. Aber davon abgesehen, scheint sich Deutschland als Aufenthaltsort bei Royals großer Beliebtheit zu erfreuen. Man denke nur an den thailändischen König mit seiner Bayern-Obsession. Und ganz besonders beliebt scheint Deutschland offenbar bei ghanaischen Royals zu sein.

Ein Blick in die Presse: Gerade am Samstag in der Süddeutschen Zeitung ein ganzseitiges Interview mit der (in Deutschland geborenen und aufgewachsenen) Königsenkelin Nana Oforiatta-Ayim. Und dann die Artikel über die Hamburgerin Cornelia, die Sauerländerin Bettina, die Kölnerin Sonja: alle Königinnen in Ghana. Und das ist die Erklärung: in Ghana, nicht von Ghana.

Es gibt da nicht einen König, sondern einige. Und das wiederum hat ganz wesentlich mit der willkürlichen, auf Ethnien und deren Verbreitung keine Rücksicht nehmenden Grenzziehung durch die europäischen Kolonialherren zu tun. So lebt etwa das Volk der Ewe sowohl in Ghana als auch im benachbarten Togo.

Man sieht das buchstäblich in dem Film „König Bansah und seine Tochter“, wenn der in Deutschland lebende Ewe-König gemeinsam mit seiner biodeutschen Frau und seiner in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Tochter von einem westafrikanischen Land in das andere fährt, zu den Wurzeln seines Volks, und die Kolonialpolitik und deren Folgen beklagt. Insgesamt beklagt er sich aber wenig. Dass das nicht allein auf sein verbindliches Wesen zurückzuführen, sondern auch Strategie ist, räumt er ein, nennt es „Chamäleon spielen“.

Es nicht jedem recht machen

Die Regierungsgeschäfte erledigt er nach Feierabend am Handy. Im Haupt-, nein, im Brotberuf ist er Automechaniker in Ludwigshafen-Mundenheim. Da steht er im Blaumann in der eigenen Werkstatt. Da hängt an der Wand hinter ihm ein Porträtfoto, das ihn im vollen Königsornat zeigt, mit viel Goldschmuck – rechts und links davon hängen seine beiden Meisterbriefe. Und ganz links, ebenfalls gerahmt, die „Wir sind Papst!“-Titelseite der Bild-Zeitung. „Wenn ich nach Ghana fliege … Ohne Leberwurst geht gar nix!“, sagt er verbindlich lachend in die Kamera, während er die Wurstdosen in seinen Koffer packt.

Die erste Hälfte des Films von Agnes Lisa Wegner begleitet ihn in Ludwigshafen, die zweite nach Ghana und Togo, das er meint, wenn er „Zuhause“ sagt. Wo seine erwachsene Tochter seit neun Jahren nicht gewesen ist. Wo sie, wenn es nach ihrem Bruder geht („Wir müssen mal ’n bisschen was ändern jetzt. Es ist jetzt einfach Zeit für ’ne Königin“) eines Tages die Nachfolge ihres 70-jährigen Vaters antreten soll.

Dem Vorgartenidyll mit sorgfältig gestutztem Rasen und der deutlich kurpfälzisch eingefärbten Sprache nach könnten seine Kinder deutscher kaum sein. „Ich bin Katharina“, sagt sie: „Ich bin halb deutsch. Ich gehör nicht dazu. Das ist dann halt das, was du spürst. Obwohl du hier aufgewachsen bist mit allem: Deutsche Weinstraße, Helmut Kohl, alles… Leberwurst… was dazugehört!“ Mit ihrer Hautfarbe fällt sie in Ghana genauso auf wie in Deutschland.

In Ghana erfährt sie und erfahren wir Zuschauer: König sein heißt, mit Ansprüchen konfrontiert zu sein. Die Sorgen und Bitten der Untertanen sind vor allem materieller Natur. „König Bansah, ich weiß noch! Du hast versprochen, dass du unserem Verein nächstes Jahr einen neuen Bus kaufen wirst. Wir glauben fest daran“, erinnert ihn ein Mann. Ein anderer benötigt Werkzeug für seine Werkstatt. Eine Frau bittet ihn, ihr einen Kühlschrank aus Deutschland zu schicken, eine weitere fragt nach dem Schulgeld für ihren Neffen.

Der Film

„König Bansah und seine Tochter“, 28. März, 0.00 Uhr, ZDF und in der ZDF-Mediathek

Der König, der schon eine Brücke gebaut (damit nie wieder ein Kind auf seinem Schulweg einem Krokodil zum Opfer fällt) und neue Brunnen hat bohren lassen, sagt nie: „Nein.“ Bansah ist ein Royal, der die Last der Verantwortung auf seinen Schultern spürt – und bereit ist, sie zu tragen. Und den Rassismus in Deutschland – den er so nicht nennt – zu ertragen. Seine Tochter sagt, sie habe eine andere Persönlichkeit, sie müsse es nicht jedem recht machen.

Beide sagen es auch mit den T-Shirts, die sie tragen. Er: Anton aus Tirol. Sie: Neneh Cherry.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen