SPD-Berater über Landtagswahlkampf: „Ich kann mich einfach zuschalten“
Wie gewinnt man Landtagswahlen mitten in einer Pandemie? Berater Frank Stauss über den Online-Wahlkampf der SPD in Rheinland-Pfalz.
taz: Herr Stauss, was ist im Wahlkampf in Pandemiezeiten anders?
Frank Stauss: Vieles, etwa die Briefwahlen. Wir rechnen damit, dass in Rheinland-Pfalz mehr als 50 Prozent vor dem Wahltag abstimmen, beim letzten Mal waren es rund 30 Prozent. 2016 war die SPD drei Tage vor der Wahl zum ersten Mal seit drei Jahren in den Umfragen mit einem Prozent vorne. Das hat uns einen Schub gegeben. Eine Frage ist: Was ändert es, wenn die Leute drei Wochen vorher abstimmen?
Und, was ändert es?
Das wissen wir nicht. Erfahrungsgemäß sind Briefwähler meistens Stammwähler. Was das jetzt für die 20 Prozent heißt, die dazu gekommen sind, ist unklar. Möglicherweise ändert sich gar nichts. Ich erinnere mich nur an eine Wahl, in der es wirklich eine Verschiebung gab: Berlin 2011, Klaus Wowereit gegen Renate Künast. Da ist Künast auf den letzten Metern entgleist. Ihr Anteil bei den Briefwählern war deutlich größer als am Wahltag selbst.
Was unterscheidet den Landtagswahlkampf von 2016 vom heutigen?
Es fällt wegen der Pandemie all das weg, was wir als volkstümlichen Wahlkampf verstehen, wo die Kandidaten übers Land fahren. Genau das ist in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz aber wichtig. Stattdessen machen wir Zoom-Konferenzen mit den Kandidaten. Statt alle Wahlkreise zu bereisen, lädt Malu Dreyer alle Wahlkreiskandidaten in ein Fernsehstudio in die SPD-Zentrale sein.
Malu Dreyer sitzt da in einem Fake-Wohnzimmer vor einem Regal voll mit Nippes. Funktioniert das?
Man kann noch nicht sagen, ob das besser oder schlechter funktioniert als in normalen Wahlkämpfen. Die sollte man ja auch nicht überschätzen. Zu Veranstaltungen kommen oft auch nur 40 oder 50 Leute. Jetzt haben wir Zoom-Konferenzen mit zum Teil 300 oder 400 Teilnehmern, und Gespräche mit Direktkandidaten mit 50 Leuten, bei denen normalerweise nur 30 sitzen würden. Das Digitale baut ja auch eine Hemmschwelle ab: Ich muss nicht raus, ich kann mich einfach zuschalten.
Aber wer sich da zuschaltet, hängt vielleicht gerade Wäsche auf. Was wissen Sie über die Intensität ihrer online-Reichweite?
Nichts, damit müssen wir leben. Auch Ministerpräsidenten sind in der online-Runde mit der Kanzlerin ja nicht immer bei der Sache.
Und was ist mit Älteren, die nicht digital unterwegs sind? Wie erreichen sie die?
Der Wahlsonntag wird wahrscheinlich ein guter Tag für die SPD in Mainz. Denn Malu Dreyer hat realistische Chancen, weiter mit Grünen und FDP zu regieren. Die SPD liegt laut Umfragen knapp vor oder mit 30 Prozent auf Augenhöhe mit der CDU. Der Trend geht in Richtung SPD. Der Maskenskandal der CDU dürfte sich zusätzlich negativ für die Union auswirken. (sr)
Bei Älteren und Digitalisierung gibt es Vorurteile. Meine Mutter ist 90 und ihr gesamter Freundeskreis ist online. Wir erleben durchaus, dass Ältere sich zum Beispiel über Facebook in eine Veranstaltung ein wählen.
Soziale Netzwerke sind anfällig für Manipulationen. Welche Rolle spielt das?
Keine. Wir haben nicht das Gefühl, dass die rheinland-pfälzische Landtagswahl ganz oben auf der Liste der russischen Trollarmeen steht.
Wird dieser Pandemie-Wahlkampf alle künftigen digitaler machen – wie Zoom-Meetings, die Dienstreisen teilweise ersetzen werden?
ist Werbetexter, Politikberater und Autor. Seine Agentur Richel Stauss managt den Wahlkampf der SPD in Rheinland-Pfalz.
Das hoffe ich sehr. Bislang hat diesen Bereich ja vor allem die AfD genutzt, die die einzige Partei ist, die im digitalen Zeitalter gegründet wurde. Das Problem, wenn man Wahlkämpfe organisiert, ist: Es gibt mehr Kanäle, aber kleinere Budgets. Man kann aber keinen Wahlkampf wie 1998 machen und mit weniger Geld noch was Digitales addieren. Den aktuellen Landtagswahlkämpfen kommt zugute, dass wir in der Pandemie gelernt haben, digital zu arbeiten. Das wird bleiben.
Wie stehen die Chancen von Dreyer zu gewinnen?
Gut, aber man darf nicht vergessen, dass Rheinland-Pfalz ein strukturkonservatives Land ist. Die SPD regiert seit 30 Jahren in Mainz, lag aber in dieser Zeit bei jeder Bundestagswahl in Rheinland-Pfalz hinter der CDU. Die CDU ist hier die dominante Partei – eben bis auf die Landtagswahlen.
Der CDU-Kandidat Christian Baldauf macht keine großen Fehler, erzeugt aber auch keine Wechselstimmung. Landtagswahlen werden ja verloren, wenn das Ansehen der Landesregierung sowieso schon niedrig war. Das haben wir in Rheinland-Pfalz nicht.
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