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„Es gibt auch seelische Risikopatienten“

„Wir haben durch Corona nicht mehr Anfragen als sonst – zum Glück, denn wir arbeiten ohnehin am oberen Limit. Bei den Beratungen merken wir, dass diejenigen, die ohnehin schon etwas angeschlagen sind, etwa weil sie eine Trennung noch nicht verarbeitet, Schwierigkeiten in der Arbeit oder mit Finanzen haben, jetzt noch mehr kämpfen müssen. Es gab bislang keinen Ratsuchenden, der ausschließlich wegen Corona da war. Corona verschärft, Corona katalysiert das, was schon da war.

Es gibt auch seelische Risikopatienten. So wie bei körperlichen Vorerkrankungen stellt Corona ein enormes Risiko in Bezug auf psychosoziale Folgen für Menschen mit seelischen Vorbelastungen und Vorerkrankungen dar. Die Menschen geraten rascher in eine Krise. Krisen sind grundsätzlich subjektiv, scheinbar kleine Auslöser können eine große Wirkung haben.

Eine Krise entsteht dann, wenn Belastung und Bewältigungsstrategien im Missverhältnis stehen. Deshalb wiegen momentan Belastungen schwerer, da die Möglichkeiten, diese zu bewältigen, kleiner geworden sind.

Selbst Menschen mit bisher hoher Resilienz müssen jetzt mehr Selbstfürsorge und Selbstkontrolle aufbringen, um einigermaßen durchzukommen.

Das macht die Beratung nicht leichter. Zum einen sind die Berater den allgemeinen Belastungen ebenso unterworfen und müssen mehr für ihre innere Balance tun, um arbeitsfähig zu bleiben, zum anderen sind viele Möglichkeiten, die früher für die Hilfesuchenden als Bewältigungsstrategie im Umgang mit ihren Nöten entwickelbar waren, unerreichbar – wie z. B. einem Chor oder einer Sportgruppe beizutreten.“

Heidi Graf, Die Arche – Suizidprävention und Hilfe in Lebenskrisen e. V., München, protokolliert von Daniel Böldt

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