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Der Vergleich zwischen Netzökonomie und Klimaschutz ist wacklig, denn IT-Produkte sind skalierbar, es werden einfach mehr Server dazugeschaltet. Außerdem sind die genannten Dienste kostenlos.
Das lässt sich nicht einfach auf den Klima- und Artenschutz übertragen. Der Umstieg auf nachhaltige Produkte bedürfen einer längeren Umstellungszeit und viel mehr zusätzliches Kapital als das bei Software der Fall ist, die, einmal geschrieben, auf prinzipiell beliebig vielen Endgeräten laufen kann. Die Server stehen zur Verfügung, denn jeder Cloudserver, den Whatsapp nicht mehr nutzt, kann an andere Anbieter vermietet werden.
Der Umstieg auf eine neue Technologie braucht auch infrastrukturelle Investitionen, wie bei den E-Autos, wo es nicht genügend Ladeinfrastruktur gibt oder bei der Wasserstofftechnologie, wo es kaum Zapfsäulen gibt. Ferner brauchen Menschen auch das nötige Geld, um sich klima- und umweltgerechte Produkte zu kaufen. Also muss auch über die sozialen Bedingungen gesprochen werden, unter denen diese Produkte hergestellt werden.
Ohne den individuellen Ansatz geht es selbstverständlich auch nicht. Denn ökologisch und sozial nachhaltige Produkte kosten mehr und können nicht so gedankenlos konsumiert werden wie Produkte, die auf der (Über-)Ausbeutung von Mensch und Natur beruhen. Das Leben muss also anders gestaltet werden, zum Beispiel müssen Kleidung und technische Geräte repariert werden, anstatt dass einfach immer neue Dinge gekauft werden. Die Fähigkeit, auch mit weniger Konsum ein erfülltes Leben zu führen, muss erlernt werden und diese Fähigkeit muss auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Das darf selbstverständlich nicht zulasten von Frauen gehen. Auf individueller Seite gibt es also bei Männern mehr zu tun als bei Frauen.
Besser gleich zu "freien Messengern" wechseln:
Conversations, Dino, Gajim, Monal, SiskinIM, Quicksy...
Eine Studie zu Einstellungen bei der Polizei legt jetzt den Abschlussbericht vor. Studienleiterin Anja Schiemann über überraschend positive Befunde – und einige Problembereiche.
Datenschutz bei Messenger-Dienst: Möhre vor der Nase
Whatsapp will Kund:innen halten – auch wenn sie die neuen Nutzungsbedingungen nicht schlucken. Der Messenger-Dienst versucht das mit einem Trick.
Nutzer:innen, die den neuen AGBs nicht zustimmen, sind die Esel, ihre Nachrichten die Möhre Illustration: Digital Vision Vectors
Liebe Nutzerinnen und Nutzer von Whatsapp und natürlich auch liebe Nichtnutzer:innen, wir starten heute mit einem Quiz. Im Folgenden finden Sie vier Aussagen zu Whatsapp.
Welche sind erfunden?
▶ Wer Whatsapp nutzt, sendet die eigenen Kontakte aus dem Adressbuch an Whatsapp, und zwar auch von Kontakten, die den Dienst nicht nutzen.
▶ Whatsapp kann sehen, wer wann mit wem gechattet hat.
▶ Whatsapp gibt diverse Daten an den Mutterkonzern Facebook weiter, etwa Telefonnummer und Nutzungsverhalten.
▶ Facebook hält sich offen, diese Daten eines Tages auch in der EU zum Personalisieren von Werbung auf Instagram oder Facebook zu nutzen.
Und: was stimmt, was nicht? Gar nicht so leicht zu sagen. Und das erklärt, warum Whatsapp gerade ein richtiges Problem hat. Denn egal, was das Unternehmen mit seiner kryptischen Änderung der Nutzungsbedingungen, die eigentlich im Februar in Kraft treten sollte, gemeint hatte – zuzutrauen ist ihm fast alles. Das sehen wohl viele Nutzer:innen so.
Denn seit dieser Änderung, die sich so las, als würden mehr Daten an den Mutterkonzern Facebook fließen, wandern die Nutzer:innen zu Konkurrenten wie Signal und Threema. Daraufhin verschob Whatsapp das Inkrafttreten der neuen Regeln auf Mai, und spätestens damit wurde klar: Die haben Schiss. Und zwar richtig.
Denn für eine Onlineplattform wie Whatsapp sind eigentlich nur steigende Nutzerzahlen akzeptabel. Am besten natürlich exponentiell, ganz notfalls auch linear. Stagnation ist ein Problem. Sinkenden Zahlen sind eine Katastrophe. Sie würden heißen: Das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit wird greifbar. Denn wenn die Freunde, die Arbeitskolleginnnen, der Fußballverein auf einmal auf andere Dienste ausweichen, dann bricht für Whatsapp der Netzwerkeffekt ab. Der Effekt, dass alle dahin gehen, wo alle sind.
Druck und freundliche Drohung
Das will die Facebook-Tochter mit allen Mitteln verhindern. Neuester Move: eine Kombination aus Druck und freundlicher Drohung. Das Unternehmen kündigte an, Nutzer:innen, die die neuen Bedingungen nicht rechtzeitig akzeptieren, trotzdem nicht komplett zu deaktivieren, wie es eigentlich folgerichtig wäre. Vielmehr sollen sie „für kurze Zeit Anrufe und Benachrichtigungen erhalten, aber in der App weder Nachrichten lesen noch welche senden können“. Es wird also die Möhre vor der Nase des Esels sein: Hier, direkt vor dir, liegen diese appetitlichen Nachrichten, Anrufe, Bilder, Sprach-Memos. Und du kannst auch ran – nach dem Bestätigen der neuen Nutzungsbedingungen.
Das Vorgehen von Whatsapp ist für Nutzer:innen ein gutes Zeichen. Nicht, weil sie sich davon um den Finger wickeln lassen sollten, auf keinen Fall. Sondern, weil es zeigt: Der Wechsel zu Alternativen wirkt. Und diese Aussage ist keineswegs selbstverständlich. Im Klimaschutz etwa dominiert ja gerade das Narrativ, dass der:die einzelne Konsument:in ohnehin praktisch nichts ändern könne, die Politik müsse es richten. Diese These kann man natürlich in Sachen Datenschutz genauso vertreten.
Aber dort ist sie noch wackliger. Denn die Politik hat schon Gesetze auf diversen Ebenen dazu geschaffen, ein Teil davon ist sogar ganz passabel. Aber das Vollzugsdefizit ist enorm (Grüße an dieser Stelle beispielsweise an die irische Datenschutznichtaufsichtsbehörde). Und so gilt für die meisten Anbieter, zumal die großen, die sich eine schlagkräftige Rechtsabteilung leisten können: Wir machen einfach mal. Und wenn sich doch jemand beschwert und es ein Bußgeld gibt, dann gehen wir halt vor Gericht. Und wenn wir da verlieren, haben wir in der Zeit immerhin ordentlich Geld verdient mit dem illegalen Datensammeln.
In diesem Setting bedeutet eine kritische Masse abwandernder Nutzer:innen für ein Unternehmen eine größere Bedrohung als das Schreiben einer Aufsichtsbehörde oder Verbraucherschutzorganisation. Denn die Nutzer:innen, ihre Daten sind der Kern des Geschäftsmodells. Sie gilt es zwar so weitgehend wie möglich auszupressen. Aber gleichzeitig zu halten.
Ach so, die Aussagen vom Anfang. Alle treffen zu.
Und, Whatsapp schon gelöscht? Es gibt Alternativen…
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Kommentar von
Svenja Bergt
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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