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Regierungsbefragung zur CoronakriseDer geschmeidige Herr Spahn

Im Bundestag rechtfertigt der Gesundheitsminister seine Impf- und Teststrategie. Dabei profitiert er von einer orientierungslosen Opposition.

Kam im Bundestag glimpflich davon: Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch bei der Befragung Foto: Kay nietfeld/dpa

Berlin taz | Die Befragung der Bundesregierung ist das Basisformat der parlamentarischen Debatte – alle Abgeordneten dürfen fragen, was sie wollen. Angriffe und auch Unterstützung kommen daher von allen Seiten. Jens Spahn reagiert Mittwochmittag eine Stunde lang routiniert – und mit dem bekannten Selbstbewusstsein. Der blaue Anzug sitzt perfekt, der Gesundheitsminister wirkt aufgeräumt. „Wir sind müde, das Virus ist es nicht“, sagt er zu Beginn und warnt davor, dass mit den härteren Zeiten auch die Debatten verhärten.

Das mag in eigener Sache gemeint sein. Spahn hatte kühn für alle verfügbare Coronaschnelltests schon ab dem nächsten Montag verkündet, und musste das wieder zurücknehmen.

Sogar SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, sonst eher vornehm zurückhaltend bei Attacken, nannte Spahn nun einen „Ankündigungsminister“, SPD-Mann Carsten Schneider vermisst „Ernsthaftigkeit und Professionalität“. Das ist unter Koa­li­tions­partnern nahe an der rhetorischen Höchstgrenze.

Dafür läuft die Fragestunde am Mittwoch recht glimpflich ab. Das liegt zum einen am Format selbst: Die Fragen haben keinen Fokus. Die AfD will die Impfpflicht gebannt wissen, ein FDP-Abgeordneter berichtet von skandalösen Zuständen in seinem Wahlkreis. Eine SPD-Abgeordnete will wissen, ab wann in Arztpraxen geimpft wird. Eine Grüne macht den Vorschlag, vor der „Tagesschau“ nicht über die Börse, sondern die Gesundheitslage zu informieren. Eine Idee, die der Gesundheitsminister naheliegenderweise gut findet.

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Diffuse Fragen

Bei konkreten Fragen verweist Spahn gern auf die Bundesländer. Die Frage, warum Friseure, aber nicht der Einzelhandel mit Terminvereinbarungen öffnen darf, findet der Minister völlig nachvollziehbar, aber eben Ländersache. Er wirkt geschmeidig. Die Fragen sind diffus. Das Scherbengericht bleibt aus.

Zum anderen hat Spahn ja Erfreuliches zu erläutern. Einige Stunden zuvor sind drei Coronaselbsttests vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für marktreif erklärt worden. Daraus ergebe sich die Aussicht, bald schon „ein Stück mehr Freiheit, aber auch mehr Sicherheit“ (Spahn) zu gewinnen.

Allerdings, so der Minister, seien die Selbsttests nicht sofort verfügbar. Er beugt sich dabei leicht nach vorn, um dem Satz Nachdruck zu verleihen. Bloß nicht schon wieder haltlose Ankündigungen machen, die nicht eingehalten werden.

Am ehesten treibt die Linkspartei den Gesundheitsminister in die Ecke und zwingt ihn zur Deutlichkeit. Warum weigere sich die Bundesregierung zusammen mit der EU und den USA, die Patente für Corona-Impfstoffe für den globalen Süden freizugeben? Das sei kurzsichtig – und eine Pandemie nur global bekämpfbar, so das Argument des Linke-Gesundheitsexperten Achim Kessler.

„Ich bin da bei Ihnen“, sagt Spahn recht generös, die Regierung kümmere sich auch um Kooperation. Nur „Zwangslizenzen“ und mehr Staat lehne man ab.

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3 Kommentare

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  • Die Opposition macht Opposition wie die Regierung Politik: Mit heißer Luft statt auf der Basis solider Informationen.



    Dabei wäre es einfach gewesen, Herrn Spahn mit fundierten Fragen in die Enge zu treiben.



    1. Durch weitgehende Ermächtigungen im Infektionsschutzgesetz hat Herr Spahn es in der Hand, praktisch alle wichtigen Entscheidung rund um die Pandemie selber zu treffen. Die Ministerpräsidenten haben sich nach ihm zu richten. Wenn er es für falsch hält, Schulen oder Friseure zu öffnen, kann er die Öffnung verbieten.



    2. Herr Spahn ist für das RKI, dessen Entscheidungen und dessen Fehler veantwortlich. Und da gibt es eine Menge, angefangen von der Datenlage bis zu einer Test- und Isolierungsstrategie, die eine Isolation von Infizierten erst ab Tag 10 nach der Infektion vorsieht. Und keine automatische Isolierung von Kontaktpersonen. Das ist der Hauptursache für die hochbleibenden Zahlen!



    3. Schnelltests wurden Herrn Spahn nachweislich schon im April 2020 angeboten. Er hat das Angebot über den Dienstleister EY (wie in Wirecard) ablehnen lassen - Deutschland brauche keine Schnelltests. Seine Meinung hat er dann auf Empfehlung der EU im November geändert, und 140 Millionen Tests geordert. Warum hat trotzdem noch keine Schnellteststrategie ausarbeiten lassen?



    4. Zu den Schnelltests: Welche Rolle sollen die Schnelltests konkret bei der Pandemeieindämmung spielen? Gratis-Tests für alle ist keine Strategie!



    5. Wie werden Ergebnisse der Schnelltests für die Inzidenzen gewertet? Wenn wir dieses Jahr zu den 50 Mio PCR noch 800 Mio Schnelltests machen, wird die Zahl der positiven Testergebnisse massiv noch oben gehen, und damit auch die Inzidenzwerte.



    6. Letzte Woche hat die Kanzlerrunde eine Öffnung der Schule beschlossen, weil es dort keine Infektionen gibt. Diese Woche werden Erzieher und Lehrerinnen für Impfungen hochpriorisert wegen der hohen Ansteckungsgefahr. Wie passt das zusammen?

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an:

    “ "Der geschmeidige Herr Spahn": taz.de/Regierungsb...onakrise/!5750569/







    [....]



    „Ich bin da bei Ihnen“, sagt Spahn recht generös, die Regierung kümmere sich auch um Kooperation. Nur „Zwangslizenzen“ und mehr Staat lehne man ab.



    Joh. Mit Spahn ist kein Staat zu machen.Denn - er wird alles machen, aber Verantwortung übernehmen sicher nicht. Da kann Lukas Walraff lange warten. taz.de/Fehlerserie...apolitik/!5750352/ "Wenn aber am Ende einer langen Fehlerserie niemand Verantwortung übernimmt, schwindet das Vertrauen erst recht. Dann wird „das System“ verantwortlich gemacht – "In den Kommentaren dort fürrchten sich Foristas. dass Spahn wirklich zurücktreten könnte. ("Was soll nur werden. Mimimi..") Es gilt das "they never come back" auch für Politiker:innen, die mal zurückgetreen sind. Für Spahn jedoch gilt das, was er am 30.01.2020 (2020 sic!) gesagt hat: "Es beseht kein Grund zur Sorge." Er besorgt alles. Irgendwann.







    btw.: Da liest wohl jemand unsere Kommentare. taz.de/Friedrich-M...arteitag/!5720813/



    "Pizza…

  • Im Spiegel gibt es einen Artikel mit dem richtigen Titel: "Lasst Profis ran". Die Bundesregierung ist ein Chaos-Verein, der für nichts die Verantwortung übernimmt und aus den Fehlern nichts lernt.