Neuer Intendant des SR: Durchregieren ist nicht
Nach sieben Wahlgängen steht der neue Intendant des Saarländischen Rundfunks fest: Martin Grasmück will die Eigenständigkeit des Senders verteidigen.
Dass Intendantenwahlen beim Saarländischen Rundfunk länger dauern, hat Tradition. Dass es der neue SR-Intendant Martin Grasmück also erst am zweiten Tag im siebten Wahlgang ins Ziel schaffte, verwundert also wenig. Und doch ist diese Wahl bei der zweitkleinsten ARD-Anstalt bemerkenswert.
„Das ist ein kleines Erdbeben im Saarland“, heißt es intern im Umfeld der Rundfunkkommission der Länder. Denn der SR galt bislang immer noch als die bundesweit durchpolitisierteste Anstalt. „Jetzt funktionieren die Dinge nicht mehr so, wie sie politisch besprochen wurden.“ Bis Mai regiert beim SR noch Intendant Thomas Kleist, Ex-Staatssekretär und SPD-Mitglied. Kleist selbst wurde bei seiner ersten Wahl 2010 auch erst knapp im siebten Wahlgang gewählt. Als Kleists Favoritin galt jetzt SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adam, die vor ihrer Zeit als oberste Journalistin im SR unter Kleist die Intendanz geleitet hatte. Auch sie segelte auf einem SPD-Ticket, hatte im Interview mit der Saarbrücker Zeitung die Frage nach einer Parteizugehörigkeit als ihre „Privatsache“ deklariert. Auch bei ihrer Wahl-Vorstellungsrunde im Rundfunkrat soll sie entsprechenden Nachfragen ausgewichen sein.
Schon nach den ersten Wahldurchgängen am Montag hatte Grasmück als klarer Favorit vorn gelegen, bei der dritten Runde am Abend entfielen auf ihn 23 von 39 möglichen Stimmen. Nach dem vierten Wahlgang am Dienstag zog der dritte Kandidat, ARD-Chefredakteur Reinald Becker, zurück.
Martin Grasmück ist parteilos, was in einem Umkehrreflex dazu führt, dass ihn nun die Saar-CDU in ihrer Nähe zu verorten versucht. Doch daran wird sie sich die Zähne ausbeißen. Der 50-Jährige ist viel zu smart für politische Spielchen und kann von seinen vielschichtigen Erfahrungen beim SR profitieren: Er war lange selbst Leiter der Intendanz, kann Verwaltung wie Finanzen und hatte dort schon eine führende Rolle inne, als der kleine SR den ARD-Vorsitz führte. Aus Sicht der großen Anstalten war das eine Dreistigkeit, die der SR und sein früh verstorbener Intendant Fritz Raff damals mit Bravour meisterten. Aktuell ist Grasmück als Hörfunkchef stellvertretender Programmdirektor des Ladens und war vorher Programmchef mehrerer SR-Radiowellen. Journalismus und Programm kann er also auch.
Es wird lustig
Das ist auch besser so, denn auf ihn warten einige Herausforderungen. Die packte SR-Rundfunkratsvorsitzende Gisela Rink dann auch nonchalant in einen einzigen Satz: „Jetzt gilt es, den SR auf finanziell sicheren Füßen in die digitale Zukunft zu führen und weiterhin seine Eigenständigkeit als voll funktionsfähige Landesrundfunkanstalt der ARD zu wahren.“ Hört sich leicht an, wird aber lustig.
Denn es geht nicht nur um die Füße, sondern der gesamte SR-Korpus ist finanziell alles andere als auf Rosen gebettet. Der Sender hängt am internen Finanzausgleichstropf der ARD. Und der ist wegen der ausfallenden Beitragserhöhung in Schieflage. Sollte das Bundesverfassungsgericht nicht schnell und rückwirkend für die Erhöhung sorgen, könnte es noch enger werden.
Die Frage nach der Eigenständigkeit des SR ist ohnehin ein Dauerbrenner, der aktuell aber ebenfalls heller leuchtet als normal. Denn Kai Gniffke, Intendant des benachbarten großen SWR, hat dem SR eine noch engere Kooperation als schon praktiziert angeboten. Das soll bis zur Zusammenlegung von Direktionen, der zweithöchsten Hierarchiestufe gleich unter den Intendant*innen, gehen. Und wird SR-intern gern mit dem Slogan „Zusammenlegung jetzt!“ bespöttelt.
„Es wird darum gehen, den SR als eigenständige Rundfunkanstalt für das Saarland und die Menschen in der Großregion SaarLorLux zu erhalten“, sagte Grasmück brav nach seiner Wahl. „Zugleich werden wir unsere Rolle im föderalen Verbund der ARD wahrnehmen und unsere Kompetenzen dort aktiv einbringen.“ Das atmet selbstbewusste Eigenständigkeit und wird nicht allen in der ARD gefallen.
Im siebten Wahlgang bekam er mit 26 zu 12 Stimmen dafür übrigens sogar eine Zweidrittelmehrheit, die er da gar nicht mehr brauchte.
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