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Spekulation an der BörseHohe Verluste durch Leerverkäufe

Kleinanleger haben die großen Hedgefonds geschickt attackiert. Doch auch sie dürften viel Geld verloren haben. Netflix will das Börsendrama verfilmen.

Rebel without a cause? Graffiti zur Gamestop-Aktie vor der Wallstreet Foto: bryan smith/dpa

BERLIN taz | Die Turbulenzen rund um die Aktie GameStop sind großes Kino. Es wirkt wie ein Kampf von David gegen Goliath, bei dem Tausende von Kleinanlegern mächtige Hedgefonds in die Knie zwingen. Die Wahrheit ist komplizierter.

Zunächst: GameStop ist relativ wertlos. Das Unternehmen verleiht und verkauft Videospiele sowie Zubehör fürs Zocken. Weltweit gibt es noch rund 5.000 Filialen, doch seit 2016 laufen Verluste auf, weil sich Computerspiele aus dem Internet herunterladen lassen.

Große Hedgefonds haben daher darauf gewettet, dass der Aktienkurs von GameStop fällt. Also nutzten sie Leerverkäufe: Dabei leihen sich Spekulanten Aktien und verkaufen sie sofort. Ist die Leihfrist abgelaufen, werden neue Aktien erworben und dem Verleiher zurückgegeben – was einen Gewinn abwirft, wenn der Kurs gefallen ist.

Allerdings bleibt ein Risiko: Wenn viele Leerverkäufer gleichzeitig Aktien kaufen müssen, um sie an die Verleiher zurückzugeben, kann der Kurs plötzlich steigen – und den Gewinn zunichtemachen. Ein solcher „short squeeze“ war bei GameStop wahrscheinlich, weil zeitweise 140 Prozent der Aktien leerverkauft waren. Es gab also mehr Leerverkäufe als Aktien.

Riesenverluste für Hedgefonds

Kleinanleger haben daher darauf gesetzt, dass die Kurse zulegen würden – was auch eintrat, zumal so viele Hobby-Spekulanten einstiegen. Anfangs war die GameStop-Aktie 17 Dollar wert – und schoss dann auf 483 Dollar. Hedgefonds sollen etwa 20 Milliarden Dollar verloren haben, weil sie ihre leerverkauften Aktien teuer neu erwerben mussten.

Für Kleinanleger ist es leicht, sich zu koordinieren. Führend ist das Onlineforum „wallstreetbets“, um Aktientipps auszutauschen. Auch der Handel ist einfach, seitdem es kostenlose Apps wie „Robinhood“ oder „Trade Republic“ gibt.

Am 28. Januar begrenzten diese Apps aber plötzlich den Kauf von GameStop-Aktien. Prompt witterten die Kleinanleger eine Verschwörung: „Robinhood“ wolle die großen Hedgefonds schützen.

Der natürliche Verfall

Es dürfte trivialer sein: Die Plattformen müssen Kapital hinterlegen, um den Handel abzusichern. Als plötzlich massenhaft GameStop-Aktien erworben wurden, reichte dieses Kapital nicht mehr. Investoren mussten erst Geld nachschießen, bevor unbegrenzter Handel wieder möglich war. Dennoch will die US-Börsenaufsicht „SEC“ nun untersuchen, ob es Insidergeschäfte gab.

Am Freitag war die GameStop-Aktie nur noch 63 Dollar wert. Denn der Kurs sinkt automatisch, sobald viele Spekulanten versuchen, ihre Gewinne mitzunehmen. Gleichzeitig dürften viele Kleinanleger viel Geld verloren haben, weil sie zu Kursen eingestiegen sind, die weit höher lagen.

Der Trubel um GameStop war jedenfalls filmreif, wie auch Netflix findet. Der Streamingdienst hat bereits angekündigt, dass ein Drehbuch in Arbeit ist.

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