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Neues Stipendium in Schleswig-HolsteinStarthilfe für Studis ohne Geld

Bevor das Studium losgeht, entstehen für die künftigen Studierenden schon hohe Kosten. Das schreckt Jugendliche aus finanzschwachen Familien oft ab.

Ohne Geld zwecklos: Studentische Wohnraumsuche via Schwarzem Brett Foto: Felix Kästle / dpa

Neumünster taz | Als erstes Bundesland wird Schleswig-Holstein ein Stipendium an Stu­di­en­an­fän­ge­r*in­nen aus einkommensschwachen Familien zahlen. Darauf haben sich die Fraktionen der Jamaika-Koalition geeinigt. Ein ähnliches Modell läuft bereits in Hannover – dort zeigt sich, dass das Geld vor allem Jugendlichen aus migrantischen Familien und Geflüchteten den Eintritt in die Uni erleichtert.

Der Umzug in eine andere Stadt, Bett und Schreibtisch, Mietkaution, Laptop und Bücher: Der Beginn des Studiums ist nicht nur der Start in einen neuen Lebensabschnitt, er ist auch teuer. Viele Studierende erhalten das Geld für die Erstausstattung von den Eltern oder Großeltern. Aber was ist mit Jugendlichen, deren Familien keinen Cent übrig haben oder die nicht auf die Hilfe ihrer Verwandten hoffen können, etwa weil sie in einem Heim aufgewachsen oder weil sie als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind?

Für sie ist die „Starthilfe“ gedacht, sagt Lasse Petersdotter, Hochschul-Experte der Grünen-Landtagsfraktion. Denn für Jugendliche aus nicht akademischen Haushalten sei der Weg an die Uni immer noch weit: „Allein, weil die Eltern nicht erzählen können, was dort passiert, aber auch aus finanziellen Gründen.“

Zwar gibt es die staatliche Unterstützung Bafög, aber die erste Rate wird erst ausgezahlt, wenn das Studium schon läuft, wenn also die Wohnung gemietet ist und der Semesterbeitrag gezahlt sein muss. An der Universität Kiel geht es um 263 Euro, die sich aus Verwaltungsgebühren, dem Beitrag für das Studierendenwerk und dem landesweit gültigen Semesterticket von 134 Euro zusammensetzen. Zwar können Studierende in Ausnahmefällen die Kosten zurückerhalten, dennoch muss zuerst eingezahlt werden. „Das schreckt viele Leute ab“, sagt Petersdotter.

Dass die Jugendlichen Geld verdienen und für den Studienbeginn zurücklegen, ist schwierig. Denn wenn die Familie von Arbeitslosengeld II oder Asylbewerberleistungen lebt, darf auch ein Kind nur 100 Euro im Monat extra behalten. „Erstens ist es extrem schwer, so diszipliniert zu sein, monatelang zu arbeiten, aber keinen Cent ausgeben zu dürfen“, sagt Petersdotter. „Und zweitens gibt es kaum Jobs, in denen man nur 100 Euro verdient, die meisten Arbeitgeber suchen 450-Euro-Kräfte.“ Hinzu komme, dass zahlreiche Jobs für Schü­le­r*in­nen und Studierende vom Kellnern bis Hausaufgabenhilfe unter Pandemiebedingungen kaum möglich sind. „Die Leute gehen tief in den Dispo und pumpen ihren Freundeskreis an – oder sie lassen das Studium.“

Die Beihilfe allein werde die gesellschaftlichen und finanziellen Unterschiede nicht ausgleichen, aber „es kann gelingen, es ein bisschen gerechter zu machen“, sagt Petersdotter. Die Jamaika-Koalition stehe geschlossen hinter dem Antrag.

Für die „Studienstarthilfe“ sind im kommenden Haushalt, der am Freitag vorgestellt wird, 120.000 Euro vorgesehen. Ein Stipendium beträgt maximal 800 Euro, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Bei den Summen haben sich die Koalitionäre am Beispiel von Hannover orientiert.

Dort hat das Studentenwerk 2015 ein solches Projekt gestartet, das von Jahr zu Jahr besser angenommen wird. 2018 erhielten 131 Personen eine „Starthilfe“, die in Hannover maximal 400 Euro beträgt. 104 der Sti­pen­dia­t*in­nen haben Migrationshintergrund, davon sind 59 Geflüchtete. Zwei der heutigen Studierenden bewarben sich aus dem Asylverfahren heraus.

Lob für die Idee gibt es vom Kieler Asta: „Wir finden die Maßnahme sehr gut und die Summe angemessen“, teilen die Spre­che­r*in­nen Julia Schmidtke und Johnny Schwausch mit. Wichtig sei ein unbürokratisches Verfahren.

Dafür soll das Studentenwerk Schleswig-Holstein sorgen. Deren Sozialberaterin Daniela Evers freut sich, dass es zum nächsten Wintersemester losgehen soll: „Das Studentenwerk SH hat diese Starthilfe angeregt und begrüßt die Entscheidung des Landes.“ Das Ziel sei, die Bürokratie „möglichst gering“ zu halten.

Das scheint machbar: In Hannover umfasst der Fragebogen knapp zwei Seiten.

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