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Berliner Politik und CoronaGrüne wollen digitale Sitzungen

Parlamente sollten auch online rechtssicher tagen können. Das fordern Politiker, nachdem eine BVV-Sitzung wegen eines Coronafalls abgebrochen wurde.

Ein Lichtenberger BVV-Mitglied bekam sein positives Testergebnis mitten in der BVV-Sitzung Foto: Michael Kappeler/dpa
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BERLIN taz | Lichtenbergs Grüne fordern, dass Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) in Berlin während der Pandemie nur noch digital stattfinden sollen. „Die Durchführung der BVV als Präsenzveranstaltung in dieser Phase der Pandemie ist ein fatales Zeichen an die Bür­ge­r*in­nen des Bezirks, die dazu aufgerufen sind, physische Kontakte konsequent einzuschränken“, sagt Bezirkschef Philipp Ahrens der taz.

Anlass seiner Forderung ist ein Vorfall während der BVV in seinem Bezirk in der vergangenen Wo­che: Ein Verordneter der Linken bekam während der Sitzung, die in einer Schulaula stattfand, einen Anruf seines Hausarztes. Der wollte ihm mitteilen, dass sein Coronatest positiv ausgefallen sei. Die BVV wurde daraufhin abgebrochen. Das Bezirksamt hat inzwischen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den positiv getesteten Kommunalpolitiker eingeleitet. Ihm droht eine Geldstrafe. Denn mit einem noch ausstehenden Coronatest hätte er sich eigentlich in häusliche Quarantäne begeben müssen und keine BVV besuchen dürfen.

Grüne und SPD in Lichtenberg fordern deshalb Aufklärung. Sollte ein Fehlverhalten des Mannes festgestellt werden, so sollte das ihnen zufolge Konsequenzen haben. Die SPD bringt einen Mandatsverzicht in die Diskussion, falls der Mann wissentlich andere Verordnete gefährdet haben sollte. Die Linke hält dagegen. Fraktionschef Norman Wolf nannte gegenüber der dpa das Verhalten seines Kollegen zwar „leichtsinnig“. Aber er sagte auch, dass dieser nach einem Kontakt mit einer infizierten Person gerade eine 16-tägige Quarantäne absolviert hatte. Danach habe er sich freiwillig testen lassen, was nach Ablauf einer Quarantäne nicht vorgeschrieben sei. Mit einem positiven Testergebnis habe er nicht gerechnet.

Gesetz ist noch nicht in Kraft

Das Abgeordnetenhaus hat erst letzte Woche ein Gesetz beschlossen, demzufolge Bezirksparlamente als Videokonferenzen tagen dürfen. Es ist aber laut Parlamentsvizepräsidentin Manuela Schmidt (Linke) noch nicht in Kraft, was erst nach der Veröffentlichung im Amtsblatt in den nächsten Tagen der Fall sein wird. Obwohl beispielsweise Reinickendorf bereits seit November digital tagt und Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf im Dezember bzw. Januar nachzogen, galt das ohne gesetzliche Grundlage als nicht rechtssicher. Investoren, deren Bebauungspläne in einer Digitalsitzung abgelehnt werden, könnten beispielsweise so einen Beschluss als ungültig reklamieren, solange es für digitale abgehaltene Sitzungen kein Gesetz gibt.

Mitte praktiziert ein Hybridmodell. In einigen Bezirken gibt es Datenschutzbedenken. In Friedrichshain-Kreuzberg gab es so große technische Probleme, dass die Digitalsitzung nach einer Stunde abgebrochen wurde. In Spandau und Lichtenberg sind BVV-Sitzungen bereits ausgefallen, weil es Probleme mit dem Hygienekonzept gab. In Steglitz-Zehlendorf hatte ein Antrag der FDP, in Zukunft digital zu tagen, in der BVV keine Mehrheit gefunden.

Grünen-Politiker Ahrens kritisiert auch das Hygienekonzept der abgebrochenen BVV in Lichtenberg: So seien keine FFP2-Masken vorgeschrieben gewesen, „obwohl absehbar war, dass diese Maskenpflicht kommt. Es hätte den Kommunalpolitikern gut zu Gesicht gestanden, da Vorbild zu sein“, sagte er.

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