: Joe Biden, bitte übernehmen
Mit einer Mahnwache erinnern Bremer*innen an die Gründung des Folter-Camps von Guantánamo Bay
Von Alina Fischer
Guantánamo, das Foltergefängnis der USA, ist heute in Bremen kaum noch Thema. Dabei war kurz nach dessen Errichtung vor 19 Jahren der Bremer Murat Kurnaz eines der ersten Opfer der menschenrechtswidrigen Haft dort: Mit einer Mahnwache erinnert Amnesty Bremen am Samstag an die Errichtung des Camps am 11. Januar 2002.
Längst sollte es aufgelöst sein: Mit Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahre 2009 hatte Präsident Barack Obama versprochen, das Gefangenenlager, jenseits rechtsstaatlicher Kontrolle, innerhalb eines Jahres zu schließen. Dass es noch existiert, liegt laut Obama am Kongress, der dagegen hielt. Für Joe Biden, der am 20. Januar sein Amt antritt, gilt diese Ausrede nicht: Er hat in allen Kammern eine Mehrheit.
Zu den Insassen gehörte gleich zu Beginn Murat Kurnaz. Im Oktober 2001 reist der damals 20-Jährige nach Pakistan, um dort eine Koranschule zu besuchen. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig. Nur wenige Wochen zuvor hatten die Terroranschläge des 11. September die Welt stillstehen lassen. Bei einer polizeilichen Kontrolle wird Kurnaz festgenommen, später gegen ein Kopfgeld ans US-Militär übergeben und Anfang 2002 nach Guantánamo verschleppt. Als Reaktion auf den 11. September von der Bush-Regierung errichtet, um Terrorverdächtige auf unbestimmte Zeit festzuhalten und zu foltern. Kurnaz wird verdächtigt, ein „feindlicher Kämpfer“ zu sein. Beweise gibt es nicht, ein Verfahren oder gar Urteil erst recht nicht. Nach Befragungen des Gefangenen durch die CIA wird er als harmlos eingestuft und soll Ende 2002 entlassen werden. Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) lehnt ab. Der Bremer falle als türkischer Staatsbürger in die Zuständigkeit der Türkei. Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) unterstützt diese Haltung. Er sei zu lange außer Landes gewesen, ohne eine neue Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen, und könne deshalb nicht einreisen, so der Senator 2004. Erst 2006 darf Kurnaz nach Hause. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich für seine Freilassung eingesetzt. Fast fünf Jahre war er Isolationshaft, endlosen Verhören und Schlägen ausgesetzt. Heute lebt er mit Frau und Kindern in Bremen.
Über seine Zeit in Guantánamo schrieb Murat Kurnaz ein Buch, das 2013 verfilmt wurde. Jetzt wird seine Geschichte von Andreas Dresen erneut auf die große Leinwand geholt. Im Dezember 2020 hat er die Dreharbeiten zu seinem Spielfilm „Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush“ beendet – so der Arbeitstitel. Der verrät, dass er den Kampf der Mutter um ihren Sohn in den Fokus nimmt. Ein Starttermin steht noch nicht fest. Schon morgen erinnert Amnesty Bremen per Mahnwache an die verbliebenen 40 Gefangenen. Um exemplarisch auf einen dort seit 14 Jahren Inhaftierten aufmerksam zu machen, sammelt die Organisation Unterschriften für eine Petition.
Vor dem Dom, Samstag, 13 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen