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Corona-Todesfälle in Deutschland1.000 Tote und mehr

Der neue Höchststand an Todesfällen war von StatistikerInnen erwartet worden. In den nächsten Wochen gibt es kaum Aussicht auf Besserung.

Trauriger Höchststand: 1.129 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus hat zum ersten Mal die Marke von 1.000 überschritten und damit einen Höchststand erreicht. Binnen eines Tages übermittelten die deutschen Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) 1.129 neue Todesfälle, wie aus den RKI-Zahlen vom Mittwochmorgen hervorgeht. Außerdem wurden 22.459 Neuinfektionen gemeldet.

Damit liegen beide Kennziffern drei- bis viermal so hoch wie an den Weihnachtsfeiertagen. Viel spricht allerdings dafür, dass sie in Wirklichkeit nie deutlich niedriger lagen.

Bereits vor den Weihnachtstagen hatte das RKI mitgeteilt, dass die aktuellen Zahlen nur bedingt mit den Werten der Vorwochen vergleichbar seien, da es zum Jahreswechsel hin mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete. Viele Fälle von Neuinfektionen und Toten sind daher noch immer nicht in die Statistiken eingeflossen. Es ist erwartbar, dass die Zahl der registrierten Fälle in den nächsten Tagen noch deutlich steigen wird.

Das zeigt auch ein Blick auf die Lage in den Krankenhäusern. Dort ist die Zahl der Corona-IntensivpatientInnen auch über Weihnachten kontinuierlich gestiegen. Wie eine Übersicht der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) zeigt, sind in vielen Regionen die Kapazitäten der Kliniken schon vollends ausgelastet.

Weil stets ein gewisser Anteil der PatientInnen in den Kliniken sterben wird, wird die Zahl der Todesfälle in den nächsten Tagen und Wochen auf dem jetzigen Niveau bleiben oder noch weiter steigen.

Düstere Prognosen der StatistikerInnen

Für ExpertInnen kommt das keineswegs überraschend. So hatten StatistikerInnen der Ludwig-Maximilians-Universität in München in ihrem letzten Newsletter vor Weihnachten geschrieben, dass „in nächster Zeit mit einer weiteren Erhöhung der berichteten Todesfallzahlen gerechnet werden“ muss.

Die Münchner WissenschaftlerInnen nutzen für ihre Berechnungen das sogenannte Nowcasting-Verfahren. Sie schauen auf die gemeldeten Neuinfektionen und berechnen dann, wie viele Todesfälle in nächster Zeit zu erwarten sind.

Besonders wichtig ist hierbei eine genaue Analyse der Altersgruppen. In den vergangenen Wochen lag die Infektionsrate der besonders gefährdeten über 80-Jährigen doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung, die der über 90-Jährigen sogar fast viermal so hoch. Das erklärt, warum die Zahl der Todesfälle stärker zunimmt als die Zahl der Neuinifizierten. Von allen in der Kalenderwoche 51 – also in der Woche bis zum 20. Dezember – Neuinfizierten würden „etwa 6.500, das heißt durchschnittlich 900 pro Tag, die Krankheit nicht überleben“, schreiben die WissenschaftlerInnen.

Daran wird auch der nun geltende härtere Lockdown nichts mehr ändern. Durch ihn könnten erst die Infektionszahlen in der 52. Kalenderwoche gesunken sein. Ob das der Fall ist, kann aufgrund der Meldeverzögerungen aber derzeit niemand seriös sagen.

Besonders dramatisch ist die Lage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Dort, so schreiben die Münchner ForscherInnen, werde es „zum Jahresende eine circa 3-fach höhere Sterblichkeit als in den meisten anderen Bundesländer“ geben. Herausstechend sei die Lage in Thüringen und Brandenburg. Dort würden die Todesfallzahlen noch höher liegen als in Sachsen, das aktuell am schwersten betroffen ist.

Wachsende Übersterblichkeit im November

Anders als die WissenschaftlerInnen von der LMU schaut das Statistische Bundesamt nicht nach vorn, sondern zurück. Am Mittwoch veröffentlichte es seine jüngste Analyse der Sterbefallzahlen in Deutschland. Darin sind nun alle registrierten Fälle bis zu Kalenderwoche 48, also bis Ende November, eingeflossen.

Im gesamten Monat November, schreibt das Bundesamt, wurden 11 Prozent mehr Todesfälle als im Schnitt der Vorjahre gezählt. In der letzten Novemberwoche gab es sogar eine Übersterblichkeit von 14 Prozent.

Auffällig dabei ist, dass die Übersterblichkeit in allen vier Wochen des November in absoluten Zahlen sehr nah an der Zahl der vom RKI registrierten Covid-19-Toten liegt. So gab es in der letzten Novemberwoche 2.519 Corona-Tote, die Übersterblichkeit betrug 2.525.

Legt man die Hochrechnungen der StatistikerInnen aus München zugrunde, muss man folglich davon ausgehen, dass es spätestens Anfang Januar in Deutschland bundesweit eine Übersterblichkeit von etwa 35 Prozent geben wird.

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1 Kommentar

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  • Was sagen denn die Modelle über die absehbaren Folgen der B.1.1.7 Mutation aus Großbritannien? Die wird binnen Wochen auch hier sein und für einen 50 - 70% höheren Exponenten beim exponentiellen Wachstum sorgen.

    Also für nahezu wöchentliche Verdopplungen selbst da, wo die aktuellen Maßnahmen den alten Virus gerade in Schach halten. Das werden in etwa 16 Wochen oder vier Monaten absehbarer weise für jeden einzelnen zu Weihnachten importierten Fall zehntausende von Fällen sein - mindestens.