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Protest gegen Bremer FlughafenAirport im Blindflug

Die Umweltschutzorganisation Robin Wood fordert die Abwicklung des Bremer Flughafens. Der sei klimapolitisch und finanziell nicht mehr tragbar.

Fliegen ist wichtig für Tourismus und Wirtschaft, findet Bremens Häfensenatorin Foto: Patrick Pleul/dpa

BREMEN taz | Bereits im Februar hatte der Bremer Regionalverband der Umweltschutzorganisation Robin Wood Finanzhilfen der Stadt Bremen für den Flughafen kritisiert: Sie seien unvereinbar mit dem von der Bürgerschaft beschlossenen Klimavorbehalt. Jetzt fordert Robin Wood in einem Offenen Brief an den Senat, den Airport endgültig abzuwickeln.

Denn der, heißt es dort, sei „chronisch defizitär, sanierungsbedürftig und durch die Corona-Krise jetzt finanziell zum schwarzen Loch geworden.“ In der Tat: Bereits im letzten Jahr, also schon vor der Coronakrise, hatte Bremen dem Flughafen mit 12,5 Millionen Euro unter die Arme gegriffen und mit 4,2 Millionen Euro jährlich die Finanzierung der Flughafenfeuerwehr übernommen. Was Flughafen-Sprecher Florian Kruse meint, als er auf taz-Nachfrage sagt: „Der Flughafen hat in der Vergangenheit ohne öffentliche Zuschüsse betrieben werden können“, ist unklar.

Von April bis Juni war der Flughafen dann coronabedingt komplett lahmgelegt. Im Sommer nahm er den Betrieb kurzzeitig wieder auf und seit dem Herbst ist er aufgrund der Reisebeschränkungen wieder auf nahezu null heruntergefahren. In diesem Jahr fehlen zwei Drittel seiner Passagiere und damit rund 80 Prozent seiner Einnahmen. Zudem stehen Sanierungsarbeiten an, für die ungefähr 80 Millionen Euro gebraucht werden.

Im September hatte der Aufsichtsrat des Airports beschlossen, dass im Laufe der kommenden fünf Jahre 100 von 400 Vollzeitstellen am Flughafen abgebaut werden sollen. Und aus dem Topf, mit dem Bremen seinen städtischen Gesellschaften durch die Coronakrise hilft, hat der Flughafen knapp 30 Millionen Euro bekommen – sonst wäre er im Laufe des kommenden Jahres nicht mehr gesellschaftsfähig gewesen.

Defizit höher als Personalkosten

Das Argument, unter anderem von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), die Arbeitsplätze am Flughafen erhalten zu müssen, lässt Robin Wood nicht gelten: Denn allein das diesjährige Defizit von 28 Millionen Euro übersteige bei weitem die Personalkosten. Hinzu kämen die vielen Millionen für die Sanierung.

Es sei nicht in Sicht, wann und ob sich der Flughafen je wieder selbst tragen könne: „Die Luftfahrtbranche selbst rechnet damit, dass es noch Jahre dauern wird, bis die Fluggastzahlen von vor der Krise wieder erreicht werden können“, heißt es in dem Offenen Brief.

Viel dringender gebraucht würden Subventionen „für die klimafreundliche Umgestaltung des Stadtverkehrs, die im Gegensatz zum Flughafen, allen Bremer*innen zugute kommt, weil sie auch die Luft verbessert“, schreibt Robin Wood. Fuß- und Radverkehr müssten Vorrang vor dem Autoverkehr bekommen. Ein anderer Bereich, in dem großer Handlungsbedarf bestehe, „der aber gleichzeitig zukunftssichere Arbeitsplätze schafft“, sei die energetische Sanierung des Gebäudebestandes.

Im Gegenzug müsse der Flugverkehr reduziert werden, denn: „Klimaneutraler Flugverkehr bleibt auf lange Sicht Wunschdenken.“ Von einer Abwicklung des Airports will die zuständige Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) indes nichts wissen: „Der Flughafen hat nicht nur für den Tourismus, sondern auch für die regionale Wirtschaftsstruktur und die hohe nationale und internationale Anbindung eine herausragende Bedeutung“, teilt ihr Sprecher mit. So stelle er beispielsweise die Anbindung für den gesamten Wirtschaftsraum im Nordwesten Deutschlands sicher.

„Das Thema ist leider sehr komplex“, sagt Philipp Bruck, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Denn Airbus sei als Werk auf die Landebahn des Flughafens angewiesen, weswegen bei einer Schließung weit mehr als nur die Arbeitsplätze am Airport auf dem Spiel stünden.

Grundsätzlich teile Bruck aber die Auffassung von Robin Wood, auch bezüglich der finanziellen Zukunft des Flughafens. Die Aussage von Flughafen-Sprecher Kruse, nach der man davon ausgehe, dass der Flughafen nach dem Überwinden der Pandemie ohne öffentliche Zuschüsse für den Betrieb auskommen könne, hält er für „eine steile These – aber trotzdem haben wir hier ein Dilemma, für das es noch keine Lösung gibt“.

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3 Kommentare

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  • Gerade gab es Anfang Dezember die Umfrage dazu in Butenunbinnen. 70% der Antwortenden waren für den Weiterbetrieb.



    Das heißt, es braucht eine richtige lange Kampagne für die Schließung dieses unnützen Flughafens.



    Wer seine Ziele nicht anders erreichen kann als mit dem Flugzeug, kann mit dem Metronom nach Hamburg.



    Das müssen sowieso schon viele Reisende, seit langem.

  • Offensichtlich ist die Nachfrage vorne und hinten nicht groß genug für einen kostendeckenden Betrieb als vollwertiger Verkehrsflughafen, daher folgender Vorschlag: Das Flughäflein Bremen wird Sonderlandeplatz von Airbus (wie in HH-Finkenwerder) und gestattet es der allgemeinen Luftfahrt, diesen Platz wie einen Verkehrslandeplatz zu nutzen (mit Vorrang für den Werksverkehr, so viel sollte das allerdings nicht sein). Dadurch kann ein Haufen Aufwand und Steuergeld gespart werden, die paar internationalen Verbindungen bekommt man auch woanders unter.

    • @Luftfahrer:

      Es geht darum, öffentlichkeitswirksam Flughäfen zu schließen, was Sie da vorschlagen ist ja lösungsorientiert....