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Schulunterricht zum Thema KlimaBremen hinkt hinterher

Mehr Angebote zu Nachhaltigkeit wären sinnvoll, sagen Expert*innen und Klimaschutz-Enquete: Bremen steht im Ländervergleich schlecht da.

Kann Spaß machen: Umwelt- und Klimaschutz lernen Foto: Andreas Arnold/dpa

Bremen taz | Für Anwesende aus Bremen ist es ein Déjà-vu: Bildung – mangelhaft. In diesem Fall geht es um Bildung zum Thema Klima: Am Freitag beschäftigte sich die Enquetekommission Klimaschutz der Bremer Bürgerschaft mit der Frage, wie solche Wissensvermittlung besser etabliert werden kann– insbesondere in der Schule.

Was sich Expert*innen für die Lehrpläne wünschen, beschreibt ein etwas sperriger Begriff: „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, kurz: BNE. Umwelt-, Demokratiebildung und Medienkompetenz sind einige der Inhalte. BNE ist weder in der Landesverfassung noch im Schulgesetz verankert. „Bremen hat derzeit im Ländervergleich einen der geringsten Bezüge zur BNE“, sagt Gerhard de Haan, Leiter des Instituts Futur an der FU Berlin: So heißt dort die erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung.

„Die Kompetenzen, die BNE beschreibt“, fasse das Landesschulgesetz „sehr wohl auf“, sagt Isabell Müller, Landeskoordinatorin für BNE bei Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD): Schüler*innen „überlegtes persönliches, berufliches und gesellschaftliches Handeln entwickeln zu lassen“, steht darin. Bei den Lehrplänen und dem Schulentwicklungsplan gebe es in der Tat großen Handlungsbedarf, so Müller, diese würden momentan überarbeitet: „Wir sind ganz am Anfang.“

Deshalb konnte sie die Frage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Jens Eckhoff auch nicht beantworten, wann genau mit Ergebnissen zu rechnen sei. Müller verwies stattdessen auf den „Kongress der Taten“ im Februar, der Schüler*innen aufruft, sich konkrete Veränderungen für ihre Schule zu überlegen – und umzusetzen. Ob eine Schule sich daran beteiligt, sei aber ihr selbst überlassen.

Je nach Lehrkraft geht es nur um Photosynthese, nicht um Solarzellen

Isabell Müller, Bremer Landeskoordinatorin „Bildung für nachhaltige Entwicklung“

Letztlich komme es auf die Lehrenden an. Schon jetzt böten die Lehrpläne Themen an, die rund um den Klimawandel gesponnen werden könnten: Wasser, Elektrizität, Sonnenenergie, sagt Müller. „Je nach Lehrkraft geht es dann aber nur um Photosynthese, nicht um Solarzellen.“ Von den 142 Schulen im Land hätten nur rund sieben einen Klimaschwerpunkt. Häufiger seien da schon Aktionen wie Klimatage oder ein Schulgarten.

Die Mitglieder der Enquetekommission waren sich einig: Es gibt viel Nachbesserungsbedarf in der Aus- und Fortbildung von Lehrer*innen. Das merkt auch das Klimahaus Bremerhaven, ein außerschulischer Lernort, der auch Fortbildungen für Lehrer*innen anbietet. Geschäftsführer Arne Dunker hat immer wieder festgestellt, dass nicht alle Lehrkräfte die Besuche im Klimahaus begleiten – für viele war so ein Ausflug wohl nur „der klassische Wandertag“.

Im Frühjahr 2020 entstand im Klimahaus die Idee, das Fortbildungsangebot zu erweitern und ein „Klimabildungszentrum“ zu gründen, erzählt Dunker. Neben Wissen soll auch die Kompetenz vermittelt werden, dieses weiterzugeben. Und das praxisnah – also zum Beispiel, „wie man an einem Freitag mit streikenden Schülern umgeht“, sagt Dunker. Los geht es damit aber frühestens 2022.

Um Klimabildung nicht als „Add on“ anzubieten, wie de Haan es nennt, müsse sie auch in den Prüfungsordnungen verankert sein. Das bestätigte Sönke Hoffmann, Geschäftsführer des Naturschutzbunds (Nabu): In Grundschulen komme man mit seinen Angeboten „unkompliziert“ rein – ab Klasse sieben habe man inzwischen aufgegeben. „Das war immer ein unglaublicher Kampf“, so Hoffmann, „der Lehrplan war zu voll.“ Und wenn es doch klappte, hätten Lehrende die Angebote als Freistunde genutzt, statt sie einzubetten in einen „stringenten Unterricht“.

Die gesamte Institution Schule – sowie alle anderen Lernorte des Landes – rückte am Freitag in den Fokus: „Die müssen Klimaschutz selbst leben“, sagt Müller: „Ohne Vorbilder ist die Jugend nicht zu erreichen.“ Und an der liegt es nicht: De Haan weiß aus Umfragen, dass sich 40 Prozent der Schüler*innen – aber auch der Lehrenden – einen stärkeren Fokus auf Klimabildung wünschen.

Deren Wirkung ist indes umstritten: Sie führe zwar zu höherer Informiertheit, sagte de Haan – es gebe aber weiter eine große Lücke zum Handeln. „Studien sagen, dass die Informierten oft nicht anders handeln als die Uninformierten“ – nur seien sie angesichts der immensen gesellschaftlichen Aufgabe zusätzlich „hoffnungslos“. Das müsse Klimabildung auch adressieren: „Was es braucht“, sagt de Haan, „ist gemeinsames lokales Gestalten.“ Damit Menschen lernten: „Ich bin nicht allein.“

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