Angst um den Verein beim FC Schalke 04: Angegriffene Schalker Seele
Der Fußball-Bundesligist Schalke 04 versucht in der Misere die Gemüter mit einem offenen Brief zu beruhigen. Die Reaktionen zeigen, wie gespalten der Klub ist.
Der vom FC Schalke 04 hölzern als „Nachricht“ verkaufte offene Brief ist ein Werben des Vorstands um Zusammenhalt in äußerst schwierigen Zeiten. Schalke belegt mit nur drei Punkten den letzten Tabellenplatz in der Bundesliga, hat nun in den Spielen beim FC Augsburg sowie gegen den SC Freiburg und Arminia Bielefeld die Pflicht, vor der kurzen Weihnachtspause die Ausgangslage im Kampf um den Klassenerhalt zu verbessern.
Ein willkommener Nebeneffekt wäre, diese fürchterliche Serie von 26 Bundesligaspielen ohne Sieg zu beenden. „Gerade mit Blick auf die Auswirkungen der Coronapandemie ist ein Verbleib im Fußball-Oberhaus ein ganz entscheidender Schritt für unsere wirtschaftliche Stabilität“, schreibt der Verein zur finanziellen Lage, die schon seit Langem schwierig ist.
„Nur gemeinsam schaffen wir es, in der 1. Bundesliga zu bleiben – dorthin gehört unser Verein“, schreibt der Vorstand weiter, dem Jochen Schneider (verantwortlich für Sport und Kommunikation), Alexander Jobst (Marketing, Vertrieb) und nach dem Rückzug von Peter Peters im Sommer Christina Rühl-Hamers für Finanzen angehören.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
In dem Brief werden Fehler eingestanden, ohne dass Verantwortliche genannt werden. Es wird ein Dialog mit den Fans beschrieben, von dem diese nichts mitbekommen haben. Vermutlich hätte der Brief trotzdem den gewünschten Effekt gehabt, wenn da nicht dieses „Aber“ wäre, mit dem der sechste Absatz beginnt: „Es ist eine Grenze überschritten, wenn Einzelne namentlich zum Buhmann ausgerufen oder zum Alleinschuldigen erklärt werden sollen.“
Gemeint war damit eines von mehreren Plakaten, die vergangenen Sonntag vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen (0:3) an einem Parkhaus hingen und Alexander Jobst zum Rücktritt aufforderten. „Neun Jahre Teil des Vorstands bedeutet neun Jahre Teil des Problems. Wann ziehst Du endlich persönliche Konsequenzen?“, war etwa zu lesen.
Beängstigendes Versprechen
Jobst arbeitete für den Weltverband Fifa und Real Madrid, ehe er zu Schalke kam und dort einen denkbar schlechten Start hatte. Er schloss gleich mit der äußerst umstrittenen Ticketbörse viagogo ein Geschäft ab. Die Fans gingen auf die Barrikaden, der Fehler wurde eingestanden und behoben.
Im Schatten des mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, der jahrelang nahezu alle Funktionsträger abdunkelte, tauchte Jobst ab. Tönnies aber verschwand im Sommer, Jobst steckte seinen Kopf heraus, versprach Transparenz und ein neues Schalke. Es sickerte aber immer mehr durch, dass er auch an den Wesenskern des Vereins Hand anlegen wollte.
Das Betriebsklima auf der Geschäftsstelle soll den derzeitigen Außentemperaturen entsprechen, berichten Mitarbeiter*innen, die dem Lager der Traditionalisten zuzuordnen sind, die sich aber mehr als Schalke-Versteher denn als Fortschrittsverhinderer verstehen. Auf der anderen Seite steht das Lager, dass Jobst und dessen Vorstandskolleg*innen bedingungslos folgt. „Es reicht inzwischen, sachliche Zweifel anzumelden, um auf die Liste der Unliebsamen zu kommen“, zitierte der Spiegel einen Mitarbeiter in Bezug auf die brisante Lage.
Der eingetragene Verein FC Gelsenkirchen-Schalke 04 ist auf vielen Ebenen gefährdet. Noch meldet sich öffentlich nur die aktiven Fanszene mit kritischen Stimmen. Bemerkenswert ist, wer sich nicht meldet. Ein Video mit Mike Büskens oder Gerald Asamoah, die dazu aufrufen, trotz aller Einschränkungen gemeinsam in den Kampf gegen den Abstieg zu ziehen, wäre die bessere Idee gewesen als ein Brief, der vor allem auch eines sagt: Lasst uns erst mal gucken, dass wir die Klasse halten. Über eine mögliche Ausgliederung und so etwas können wir dann später immer noch sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!