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Lichtlein mitten im Tunnel

Die dunkle Jahreszeit mag einem in diesem Jahr düsterer vorkommen als sonst. Kerzen können da zumindest kurzfristig die Stimmung heben. Die Auswahl ist groß: Vom Industrieprodukt über die Imkerkerze über Do-it-Yourself bis zur fair gehandelten Manufakturware. Manche transportieren sogar Unterstützung von höchster Stelle

Auf dem Voigthof in Paulmannshavekost wird Bienenwachs noch ganz traditionell in Kerzenformen gegossen Foto: Ingo Misiak/Voigthof

Von Joachim Göres

„Kerzen waren und sind ein beliebtes Weihnachtsgeschenk“, sagt Ines Rösler, und sie muss es wissen: Seit 1997 betreibt sie in Hamburg-Eimsbüttel ihre Kerzen-Werkstatt. Dort verkauft sie die von ihr angefertigten Kerzen vom Teelicht für 25 Cent bis zur zwölf Euro teuren Stumpenkerze – damit sind runde Kerzen mit einem breiten Durchmesser gemeint, die nach oben hin nicht schmaler werden. Ein Saisongeschäft: Ab Oktober, wenn die dunkle Jahreszeit beginnt, nimmt die Zahl der Kunden deutlich zu.

Und dann melden sich auch mehr Interessenten an, die in Röslers Werkstatt unter Anleitung selbst Kerzen ziehen möchten. „Kinder mögen gerne gedrehte Kerzen, die sie mit Stickern aus Wachs noch mit Engeln, Sternen, Weihnachtsmännern oder Schneeflocken versehen und zu Weihnachten verschenken“, erzählt Rösler. Auch Frauen kämen gern in kleinen Gruppen zum Kerzenziehen. „Gefragt sind vor allem mehrfarbige Kerzen, die man nicht kaufen kann.“ Daneben bietet sie auch das Kerzengießen in vorgegebenen Formen wie Kugeln, Pyramiden und Quader an. „Es gibt einen Trend zu größeren Kerzen und es gibt bestimmte Farben, die in letzter Zeit mehr gefragt sind, wie zum Beispiel Grau. Ansonsten bleiben Rot und Grün die typischen Weihnachtsfarben“, sagt Rösler.

Wegen der Coronapandemie darf sie in diesem Monat kein Kerzenziehen anbieten. „Vielleicht verkaufen wir dadurch etwas mehr von den eigenen Kerzen, aber das kann unseren finanziellen Ausfall nicht ausgleichen“, sagt Rösler und fügt hinzu: „Außerdem ist unser Laden nicht groß, sodass wir immer nur eine beschränkte Anzahl von Menschen reinlassen können.“

Auch Michael Voigt hat wegen Corona Einbußen. „Die Advents- und Weihnachtsmärkte in Wolfenbüttel und Winsen/Aller, wo ich meine Kerzen immer verkaufe, fallen in diesem Jahr aus. Ich rechne mit 30 Prozent weniger Umsatz“, sagt der Imker aus Paulmannshavekost, einem kleinen Ort zwischen Celle und Gifhorn. Er hat 60 Bienenvölker und verdient im Sommer sein Geld fast komplett mit dem Verkauf von Honig. Im November und Dezember stammen dagegen die Hälfte der Einnahmen der Imkerei und Kerzenmanufaktur Michael Voigt üblicherweise aus dem Verkauf der gelben Bienenwachskerzen. „Die werden oft zusammen mit einem Glas Heidehonig zu Weihnachten verschenkt. Und sie werden auch gerne für den Adventskranz oder den Weihnachtsbaum genommen“, sagt Voigt. Seine Bienenwachskerzen sind alle per Hand gegossen, das dauert länger als Kerzen aus Stearin oder Paraffin maschinell herzustellen. „Ich bin deshalb teurer“, sagt Voigt, „doch der Duft nach Bienenwachs lässt viele Menschen etwas tiefer ins Portemonnaie greifen.“ Neben vielen älteren Stammkunden schätzten seit zwei Jahren gerade junge Familien verstärkt diese besondere Qualität.

Immer mittwochs und samstags steht Voigt auf dem Wochenmarkt in Celle und bietet 30 verschiedene Kerzen an, vom Teelicht – die Zehnerpackung für sieben Euro – bis zur rund 30 Zentimeter hohen und sieben Zentimeter dicken Stumpenkerze für fast 30 Euro. Außerdem kann Voigt nach Kundenwunsch zum Beispiel 80 Zentimeter hohe Stumpenkerzen anfertigen, da ihm 70 verschiedene Kerzenformen aus einer ehemaligen Kerzenfabrik zur Verfügung stehen.

Voigts Sohn Johann Friedrich, ebenfalls Imker, verkauft seine Bienenwachskerzen auch über das Internet. Dort wirbt er für seine Imkerei und Kerzenmanufaktur Voigthof und stellt seine Bestseller vor: Kronkerzen (gerade Form, nach oben spitz zulaufende Krone), Spitzkerzen (nach oben zulaufende Form) sowie Christbaumlichter. Michael Voigt, mit 69 Jahren bereits im Rentenalter, hält dagegen nichts von Online-Shops: „Der Aufwand, den man dafür betreiben muss, ist mir zu hoch.“

Stearinkerzen in den unterschiedlichsten Farben führt der Laden Flametta in Hannover-Linden. Auf der Verpackung ist meist die Brennzeit angegeben. „Vor Weihnachten wird mehr gekauft als sonst“, sagt die Verkäuferin. Gerade kommt eine Kundin in den Laden, die sich für ihren Adventskranz vier dicke Stumpenkerzen aussucht. In den letzten Jahren habe sie immer graue genommen, in diesem Jahr bevorzuge sie zur Abwechslung dunkelrote. Zum Sortiment gehören Produkte der Kerzenfarm Hahn aus Nienbüttel bei Itzehoe. Der Hersteller bedauert auf seiner Homepage, dass ein Direktverkauf auf Weihnachtsmärkten in diesem Jahr nicht möglich sei und empfiehlt die Bestellung per Mail. Zu den im Katalog präsentierten Neuheiten dieses Jahres gehören schlanke, durchgefärbte Stabkerzen in den Farben Aubergine bis Weihnachtsrot, Rapswachs-Duftkerzen aus ätherischen Ölen mit 14 verschiedenen Duftrichtungen wie Bratapfel, Weihnachtstraum, Winterwald und Zimt sowie Bienenwachskerzen aus Wabenplatten.

„Der Duft nach Bienenwachs lässt viele Menschen etwas tiefer ins Portemonnaie greifen“

Michael Voigt, Imker

Die Contigo Fairtrade GmbH aus Göttingen betreibt unter anderem in Braunschweig, Bremen, Flensburg, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück Läden mit fair gehandelten Produkten und beliefert weitere Weltläden. Einer der Partner ist die Manufaktur Kapula aus Süd­afrika, wo Kerzen aus Paraffin von Hand in Blechformen gegossen, geschnitten und nachgearbeitet werden. Die bunten Kerzen in kräftigen Farben fallen durch ihre aufwendigen Verzierungen auf, für die Wachs mit Pinseln aufgebracht wird.

Im Kloster der Karmeliterinnen St. Josef in Hannover leben elf Schwestern. Eine ihrer Aufgaben ist das Verzieren von Kerzenrohlingen für Taufe, Kommunion, Hochzeit, Ostern und Weihnachten. Zu den häufig verwendeten christlichen ­Symbolen gehören Engel und Sterne. Auf der Homepage werden die verschiedenen Kerzen präsentiert, zum Beispiel die hohe ­Adventskerze, auf der die Zahlen 1 bis 24 untereinander angeordnet sind, darunter die Aufschrift „GOTT ist immer unterwegs zu denen, die das LICHT suchen“.

Licht am Ende des Tunnels würde auch das Kerzenhuus in Steinfeld bei Süderbrarup gern sehen. Es ist derzeit geschlossen, weil das dort angebotene Kerzenziehen wegen der Corona­bestimmungen verboten ist. Wann es wieder öffnet, steht in den Sternen.

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