: Billig jobben ist auch umsonst
Derzeit gibt es 20.000 1-Euro-Jobs in Berlin. Zu viele, finden die Grünen. Ihre Kritik: Job-Center jagen nur der Erfüllung einer Quote nach. Ein fester Arbeitsplatz winke nur wenigen Arbeitslosen
VON RICHARD ROTHER
Künftig sollte es weniger 1-Euro-Jobs geben. Das fordern die Grünen im Abgeordnetenhaus. „Wir brauchen mehr Klasse statt Masse bei den Arbeitsgelegenheiten“, sagte gestern Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz. Sie hatte der Arbeitsmarktreform Hartz IV, mit der die 1-Euro-Jobs eingeführt wurden, von Beginn an skeptisch gegenübergestanden. Die rot-grüne Bundesregierung hatte die Reform mit Unterstützung von CDU und FDP beschlossen – und sich auch nicht durch Massenproteste davon abbringen lassen.
1-Euro-Jobs seien nur akzeptabel, wenn sie als Baustein eines umfassenden Eingliederungsprozesses in den ersten Arbeitsmarkt funktionierten, so Klotz. „Jeder 1-Euro-Jobber sollte eine Eingliederungsvereinbarung unterzeichnen.“ Über deren Zahl würden aber noch nicht einmal Statistiken geführt. Zudem würden andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – etwa ABM, Eingliederungszuschläge oder Weiterbildung – zu wenig genutzt, meint Klotz.
Bundesweit sollen ungefähr 600.000 1-Euro-Jobs geschaffen werden. Da 1-Euro-Jobber nicht als arbeitslos gelten, könnte so die Arbeitslosenstatistik geschönt werden. In Berlin sind in diesem Jahr etwa 35.000 dieser Jobs vorgesehen. Betrachte man Pläne der Bezirke, ergebe sich allerdings schon eine Größenordnung von 50.000 1-Euro-Jobs in Berlin, so Klotz. „Die Job-Center laufen einer fiktiven Quote hinterher, deren Erreichen nichts über die Qualität aussagt.“ Zudem seien die Fallmanager, die die Arbeitslosen in den Ämtern betreuen, oft unzureichend qualifiziert.
Die Regionaldirektion der Arbeitsagentur wies die Kritik gestern zurück. Die Arbeitsgelegenheiten seien nur eine Möglichkeit für die Integration von Langzeitarbeitslosen, so Behördensprecher Olaf Möller. Mit diesem Instrument könne aber vielen Betroffenen schnell geholfen werden. In Berlin seien derzeit rund 127.000 Menschen langzeitarbeitslos, gut 20.000 hätten einen 1-Euro-Job. „Für viele ist das nach langer Zeit wieder eine Möglichkeit, zu arbeiten.“
Allerdings hätten die Job-Center die Aufgabe, auf die Einhaltung der Bedingungen für 1-Euro-Jobs zu achten, so Möller weiter. Diese müssten zusätzlich und gemeinnützig sein. Die mit der Politik und Verbänden vereinbarte Positivliste, die Einsatzgebiete für 1-Euro-Jobber definiert, sei dafür sehr hilfreich.
Diese Liste kritisiert Klotz. Auf ihr fehlten Arbeiten, die der Instandhaltung von öffentlichen und gemeinnützigen Einrichtungen wie Spielplätzen dienten, für die seit längerem kein Geld mehr da sei, so Klotz. Wirtschaft und Gewerkschaften lehnen solche Tätigkeiten für 1-Euro-Jobber ab, weil sie Aufträge und reguläre Jobs gefährdet sehen.
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