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Coronamaßnahmen in EU-LändernEuropa kämpft

Corona hat unseren Alltag im Griff. Wie in Deutschland stehen auch in anderen EU-Staaten neue Restriktionen an.

Das Weihnachtsgeschäft in Brüssel leidet massiv unter den Coronamaßnahmen Foto: Francisco Seco/reuters

Paris/Rom/Brüssel taz | Die Zahlen sehen nicht gut aus. Trotz Einschränkungen der Mobilität und der Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, steigen in vielen Staaten die Infektionszahlen an. Der Blick in andere EU-Staaten zeigt, dass ein schneller Anstieg der Neuinfektionen nur durch einen strengen Lockdown gestoppt werden kann. Lockerungen haben sogleich wieder steigende Infek­tions­zahlen zur Folge.

So steht die französische Regierung vor einem Dilemma: Weiter lockern oder im Gegenteil die Lockdown-Regeln mit einem abendlichen Ausgehverbot wieder verschärfen? Seit Ende November dürfen wieder alle Geschäfte und auch die Friseursalons wieder öffnen. Die Staatsführung hat damit grünes Licht für den großen Weihnachtseinkauf gegeben und zugleich versprochen, die Feste am Jahresende könnten – wenn auch in einem kleineren Familienkreis – stattfinden.

Ab 15. Dezember wollte sie die Restriktio­nen zurückfahren. Dieses Versprechen war mit der Bedingung verknüpft, dass sich die Lage wesentlich bessert. Für die zweite Etappe der Lockdown-Beendigung dürfe es nicht mehr als 5.000 Neuinfektionen pro Tag geben und nicht mehr als insgesamt 3.000 Covid-19-Patient:innen in den Intensivstationen. Was noch zu Monatsbeginn durchaus als realistische Zielsetzung erschien, ist heute nur noch eine optimistische Hypothese.

Zwar zeichnet sich in Frankreich noch eine leichte Besserung ab, doch die anfänglich deutliche Tendenz mit sinkenden Zahlen von Corona-Erkrankungen und Kran­ken­haus­pa­tien­t:in­nen hat sich verlangsamt und stagniert: Im Wochendurchschnitt werden derzeit täglich rund 10.000 durch Tests bestätigte Neuinfektionen registriert.

Auch Italien wurde von der zweiten Infektionswelle – ab Mitte Oktober – voll getroffen. Die täglichen Neuinfektionen schnellten im November auf über 40.000 hoch, mit 993 Toten an nur einem Tag wurde am 3. Dezember der Höchstwert erreicht. Insgesamt werden in Italien bis heute fast 1,8 Millionen Corona-Infektionen und mehr als 61.000 Tote registriert.

Drei Zonen in Italien

Die Regierung in Rom reagierte mit einem national einheitlichen Plan, der je nach Infektionsgeschehen jedoch regionale Differenzierungen vorsah. In den zeitweise „roten“ Regionen wie der Lombardei oder Kampanien kam es zu einem echten Lockdown; vor die Tür durfte man nur noch aus triftigem Grund, und sämtliche Geschäfte, die nicht Lebensnotwendiges verkaufen, und die Gastronomie blieben geschlossen. In den „orangen“ Regionen durften die Bürger*innen ihre Heimatgemeinde nicht verlassen. Nur in den „gelben“ Regionen wurde die Mobilität nicht eingeschränkt.

In ganz Italien allerdings gelten einschneidende Einschränkungen. Selbst in den „gelben“ Regionen müssen Restaurants und Espressobars um 18 Uhr schließen. Das komplette Freizeit­leben ist aufgrund der Schließungen von Thea­tern, Kinos, Fitnesscentern und Sportstätten zum Erliegen gekommen. Außerdem gilt für alle Bür­ge­r*innen eine Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr morgens. Schüler von der 8. bis zur 13. Klasse werden digital unterrichtet.

Die Maßnahmen greifen. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist mittlerweile auf 20.000 halbiert, keine Region ist mehr als „rot“ klassifiziert. Lockerungen zu Weihnachten jedoch stehen nicht im Raum, im Gegenteil. Vom 1. Dezember bis zum 6. Januar gilt ein generelles Reiseverbot zwischen den Regionen. Am 25. und 26. Dezember ebenso wie an Neujahr dürfen die Menschen auch in den „gelben“ Regionen ihre Gemeinden nicht verlassen, auch die nächtliche Ausgangssperre bleibt in Kraft.

Belgien ist ein Beispiel dafür, wie wirksam ein Lockdown sein kann. Wenn Kontakte konsequent beschränkt würden, wie in Belgien geschehen, könnte auch Deutschland die Coronazahlen schnell wieder drücken, lobte Kanzleramtschef Helge Braun das Nachbarland. In Brüssel hat man das gern gehört.

Bereits Mitte Oktober hat die belgische Regierung weitreichende Beschränkungen erlassen. Nicht nur Cafés und Restaurants wurden geschlossen, sondern auch die meisten Geschäfte mussten ins „Confinement“, in den harten Lockdown. Nachts gilt ein striktes Ausgangsverbot, enge Kontakte wurden auf nur eine Person beschränkt. Zudem gilt in ganz Belgien eine Pflicht zum Homeoffice – nur wer gar nicht anders kann, darf noch zu seinem Arbeitsplatz fahren.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Noch am 3. November wurden täglich 693 neue Patienten mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert. Doch seitdem hat sich die Lage beständig gebessert, Anfang Dezember lagen die Neuzugänge nur noch bei rund 200 pro Tag. Neuerdings scheint der erfreuliche Trend jedoch zu erlahmen. Brüssel denkt daher auch wieder über neue Maßnahmen nach.

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