KOMMENTAR: KAI VON APPEN ÜBER GRÜNEN-BESPITZELUNG: Spezielle Verhältnisse
Der Aufschrei von Grünen und Linken in Niedersachsen über die Bespitzelung des grünen Jugendpolitikers Jan Wienken durch den Inlandsgeheimdienst ist durchaus nachvollziehbar und berechtigt – aber wirklich überraschend ist der Fall nicht. Denn in der Logik des Verfassungsschutzes ist jede Person potenziell ein Staatsfeind, die sich kritisch öffentlich über die herrschende Ordnung äußert oder Missstände in dieser Republik anprangert. Und wer an Demonstrationen teilnimmt, ist ohnehin verdächtig.
Der Komplex Jan Wienken wirft jedoch eine Frage auf: Hat sich der Verfassungsschutz wieder einmal als Staat im Staate aufgeführt und ohne Kenntnis des parlamentarischen Kontrollgremiums die Observation durchgeführt oder hatten die politischen Wächter im Landtag sogar die Operation abgenickt. Denn was die geheimdienstlichen Tätigkeiten angeht, herrschen in Niedersachsen offenkundig spezielle Verhältnisse.
Es sei nur daran erinnert, dass Niedersachsens Verfassungsschutz-Chef Hans-Werner Wargel jüngst Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich korrigieren musste, dass sein Nachrichtendienst nicht nur Schriften auswertet, sondern sehr wohl Personen der Linkspartei mit geheimdienstlichen Mitteln ausgespäht. Insofern ist dies kein Verfassungsschutzskandal, sondern ein politischer Skandal, für den Innenminister Uwe Schünemann (CDU) voll und ganz die Verantwortung trägt.
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