Bürgerkrieg in Äthiopien: Ein unausweichlicher Konflikt
Wer sich darüber wundert, dass Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed in der Provinz Tigray so unfriedlich agiert, hat Äthiopien nicht verstanden.
Nobelpreisträger Abiy Ahmed Ali Foto: Christian Minelli/imago
Es gibt keine Unschuldigen in Äthiopiens neuem Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und den abtrünnigen Regionalmachthabern in der Region Tigray. Da sind zum einen die militärischen Machthaber in Tigray; sie sind Äthiopiens alte Regierungselite zwischen 1991 und 2019, die das Land zuerst befreit und dann in eine Diktatur verwandelt hatten. Und da ist zum anderen Äthiopiens junger Reformpremier Abiy Ahmed, der 2019 die Regierung übernahm und die Zügel behutsam lockerte, um Macht und Wohlstand im Land umzuverteilen.
Es war von Anfang an klar, dass die Tigray-Generäle sich dem widersetzen würden. Es muss in so einem Fall auch klar sein, dass der Reformpremier diesen Konflikt militärisch gewinnen muss, wenn er nicht untergehen möchte.
Deswegen ist es logisch, dass die Zentralregierung Tigray den Krieg erklärt und ihn unbarmherzig führt und dass Tigray mit allen Mitteln zurückschlägt, einschließlich Raketen auf benachbarte Provinzen und sogar den Nachbarn Eritrea. Wer sich jetzt darüber wundert, dass Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed so unfriedlich agiert, hat Äthiopien nicht verstanden.
Das Land war noch nie eine Demokratie, Machtfragen wurden noch nie ohne Gewalt geklärt. Dass dabei die einfache Bevölkerung vor die Hunde geht, ist eine Konstante der Landesgeschichte. Bloß weil ein Premierminister jung ist und sich Reformen auf die Fahnen schreibt, kann er noch lange nicht aus dieser Landesgeschichte austreten – zumal Abiy Ahmed selbst ein politisches Kind des Repressionsapparats ist, den er jetzt in seiner auf Tigray beschränkten Form als militärischen Gegner vor sich hat. Ein einzelnes neues Gesicht kann die Funktionsweise eines ganzen Staatswesens nicht auf Dauer verändern.
Jetzt stehen zwei Narrative gegeneinander: ein modernes Äthiopien, verkörpert von einem zunehmend autokratischen Premier, und das Selbstbestimmungsrecht Tigrays, verkörpert von ewiggestrigen Militärs. Beide haben ihre Berechtigung. Aber nur eines wird überleben. Das ist die Tragik des neuen äthiopischen Konflikts.
Bürgerkrieg in Äthiopien: Ein unausweichlicher Konflikt
Wer sich darüber wundert, dass Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed in der Provinz Tigray so unfriedlich agiert, hat Äthiopien nicht verstanden.
Nobelpreisträger Abiy Ahmed Ali Foto: Christian Minelli/imago
Es gibt keine Unschuldigen in Äthiopiens neuem Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und den abtrünnigen Regionalmachthabern in der Region Tigray. Da sind zum einen die militärischen Machthaber in Tigray; sie sind Äthiopiens alte Regierungselite zwischen 1991 und 2019, die das Land zuerst befreit und dann in eine Diktatur verwandelt hatten. Und da ist zum anderen Äthiopiens junger Reformpremier Abiy Ahmed, der 2019 die Regierung übernahm und die Zügel behutsam lockerte, um Macht und Wohlstand im Land umzuverteilen.
Es war von Anfang an klar, dass die Tigray-Generäle sich dem widersetzen würden. Es muss in so einem Fall auch klar sein, dass der Reformpremier diesen Konflikt militärisch gewinnen muss, wenn er nicht untergehen möchte.
Deswegen ist es logisch, dass die Zentralregierung Tigray den Krieg erklärt und ihn unbarmherzig führt und dass Tigray mit allen Mitteln zurückschlägt, einschließlich Raketen auf benachbarte Provinzen und sogar den Nachbarn Eritrea. Wer sich jetzt darüber wundert, dass Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed so unfriedlich agiert, hat Äthiopien nicht verstanden.
Das Land war noch nie eine Demokratie, Machtfragen wurden noch nie ohne Gewalt geklärt. Dass dabei die einfache Bevölkerung vor die Hunde geht, ist eine Konstante der Landesgeschichte. Bloß weil ein Premierminister jung ist und sich Reformen auf die Fahnen schreibt, kann er noch lange nicht aus dieser Landesgeschichte austreten – zumal Abiy Ahmed selbst ein politisches Kind des Repressionsapparats ist, den er jetzt in seiner auf Tigray beschränkten Form als militärischen Gegner vor sich hat. Ein einzelnes neues Gesicht kann die Funktionsweise eines ganzen Staatswesens nicht auf Dauer verändern.
Jetzt stehen zwei Narrative gegeneinander: ein modernes Äthiopien, verkörpert von einem zunehmend autokratischen Premier, und das Selbstbestimmungsrecht Tigrays, verkörpert von ewiggestrigen Militärs. Beide haben ihre Berechtigung. Aber nur eines wird überleben. Das ist die Tragik des neuen äthiopischen Konflikts.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Themen