AfDlerin wechselt zur Bremerhavener CDU: CDU nach rechts recht offen
Natalia Bodenhagen wechselte von der AfD zur CDU im Bremerhavener Stadtparlament. Chat-Protokolle zeigen, dass sie ihre Gesinnung nicht geändert hat.
Das neue CDU-Mitglied selbst reagiert auf die Bitte der taz um eine Stellungnahme auch nach zwei Wochen nicht. Doch Chat-Protokolle von Bodenhagen werfen Fragen zu ihrer politischen Einstellung auf.
Am 13. Oktober hatten auf einer gemeinsamen Sitzung des CDU-Kreisvorstandes und der Stadtverordnetenfraktion die Mehrheit der rund 25 anwesenden Mitglieder für die Aufnahme der Ex-AfD-Frau gestimmt; daneben gab es vier Enthaltungen. Vor der Abstimmung hatten Neuhoff und der Fraktionsvorsitzende Thorsten Raschen aus den ersten Gesprächen mit Bodenhagen und dem Wunsch ihrer Aufnahme in die CDU berichtet.
Reichte tatsächlich ein Gespräch? Wie die anderen Fragen der taz ließ die CDU auch diese unbeantwortet. Nach dem Übertritt erklärte Raschen nur, dass die Fraktionsspitze mit Bodenhagen „mehrere Stunden“ geredet hätte, in denen sich inhaltliche Übereinstimmungen gezeigt hätten, etwa bei der Schulpolitik und dem Umbau des ehemaligen Flüchtlingsheims in der Wiener Straße zu einem Integrationszentrum. In der Stadtverordnetenversammlung sagte Raschen noch: „Jeder kann mal falsch abbiegen und muss dann die Möglichkeit bekommen, wieder in die Spur zurückzukommen.“
Julia Stephan-Titze, grüne Stadtverordnete
Doch von wie weit rechts kommt Bodenhagen und wie weit wendet die Lehrerin sich ab? In Chat-Protokollen, die der taz zugespielt wurden, offenbart sich nicht bloß eine AfD-Politikerin, sondern auch Rhetorik aus dem aufgelösten „Flügel“, den der Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft hat.
In den Protokollen wird gegen „Passdeutsche“ gehetzt, indem spekuliert wird, wie viele von ihnen Harz IV bekämen. Ein Foto von einigen schwarzen Männern, die einem weißen Mann etwas verkaufen, wird mit dem Titel „Die Mohren-Apotheke im Görlitzer Park“ geteilt. Und an einer Stelle heißt es „die Bereicherung“ käme später am Tag „aus den Löchern“- die Wortwahl spielt auf die rechtsextreme zynische Bezeichnung für Geflüchtete als „Kulturbereicherung“ an.
In den Protokollen der Bio-und Chemielehrerin wird auch über die Schule geschimpft, eine Anstalt, die ohne „Alk“ nur schwer zu ertragen sei, Schüler*innen sind dort „Hohlbrote“, die wohl nicht in der Zukunft die Gesellschaft finanzieren könnten. Die Pandemiemaßnahmen werden als „Corona-Scharade“ bezeichnet und kolportiert wird, dass Bill Gates sieben Milliarden Menschen einen Impfstoff verabreichen wolle. Quelle: Pi-News, ein Blog mit islamfeindlichen und rechtsextremen Positionen.
Bereits Ende September hat Bodenhagen zugleich mit Pascal Hiller die AfD und Fraktion verlassen. Ihr Mandat gab sie aber nicht ab. Als Grund für den Austritt wurden knapp die Streitereien in der Bremer AfD angegeben. Eine inhaltliche Distanzierung wird nicht ausformuliert.
Die Chat-Protokolle sollen laut dem Informanten der taz in der CDU bekannt sein. Bestätigt ist das nicht – Nachfragen zu dem Komplex sind bei der Partei schließlich unerwünscht.
Der zügige Wechsel verwunderte nach dem Bekanntwerden bereits Doris Hoch. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen PP sagte: „Wir sind erstaunt, wie schnell die Bremerhavener CDU eine Politikerin aufnimmt, die vor wenigen Wochen noch für die AfD aktiv war, CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her.“ Für sie klinge es nicht nach klarer inhaltlicher Abgrenzung, wenn nur ein längeres Gespräch genüge.
Auch Julia Stephan-Titze, Grüne Stadtverordnete und Kreisvorstandsprecherin, sieht bis heute kein Umdenken, denn eine „inhaltliche Distanzierung von der AfD von Frau Bodenhagen ist uns nicht bekannt“. Sie erinnert daran, dass Bodenhagen vor der AfD den rechtspopulistischen „Bürger in Wut“ angehörte, die ihr dann wohl zu moderat waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“