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Wieder Massenproteste in BelarusPolizei schickt Rekordaufgebot

In Belarus ist es erneut zu Massenprotesten gekommen. Einigen Demonstranten gelang es, die Polizei mit schwarzer Kleidung zu verwirren.

Polizisten, teilweise ohne Uniform, nehmen am Sonntag einen Demonstranten in Minsk fest Foto: ap/dpa

Kiew taz | „Heute ist es wie immer am Sonntag: Verhaftungen, Hunderte Polizisten in Schwarz mit Helm, Schild und Schlagstock, kein mobiles Internet, Schließung zentraler U-Bahn-Stationen und Zigtausende mutige Menschen, die auf die Straße gehen“, berichtet der Minsker Dolmetscher Sergej Kasyanenko der taz am Telefon.

„Vielleicht waren es diesen Sonntag weniger Menschen als beim letzten Mal,“ schiebt er nach, aber so viel Polizei wie heute habe er noch nie auf der Straße gesehen seit dem 9. August. Motivierend auf die Demonstranten habe gewirkt, dass Präsident Alexander Lukaschenko und sein für die Staatssicherheit zuständiger Sohn Viktor jetzt auf der Sanktionsliste der EU seien.

Auch die Aktivistin Alla Kondratiewa berichtet der taz, dass sie seit August noch nie so viele Polizisten gesehen habe wie jetzt. Sie hatte von ihrer Wohnung in einer der obersten Etagen im Stadtzentrum die Polizisten gefilmt. Diese hätten den Mascherow-Prospekt systematisch abgeriegelt, sogar Hofeinfahrten. Irgendwann hätten sich Polizisten über einen am Boden liegenden Demonstranten gebeugt – und wenig später sei der von einem Krankenwagen abgeholt worden.

Verwirrung unter den Polizisten habe die Kleidung einiger Protestierer gestiftet. Diese hatten sich so schwarz wie Polizisten gekleidet. Denen sei es dann schwer gefallen, Demonstranten von eigenen Kollegen zu unterscheiden. Das Portal tut.by veröffentlichte Fotos von Blutflecken auf der Treppe einer Unterführung und berichtet, das Blut stamme von festgenommenen Demonstranten.

Polizei konnte wohl Bilder von „Menschenmeer“ verhindern

Dieses Mal, so Kondratiewa, habe die Polizei es wohl geschafft, die zahlreichen Kolonnen von Demonstranten, die sich auf das Stadtzentrum zubewegt hatten, an einer Vereinigung zu hindern. So seien auch Bilder eines Menschenmeeres verhindert worden, fügt sie traurig hinzu.

Das Portal naviny.media berichtete um 17 Uhr von über 300 Festnahmen. Darunter seien auch bekannte Persönlichkeiten wie der Zehnkämpfer Andrej Krawtschenko, Olympiamedaillengewinner, der Kickboxer Iwan Ganin und die Ex-Pressesprecherin des Brester Clubs „Dynamo“, Olga Chischinkowa.

Eine Protestwoche laufe fast schon ritualisiert ab, berichtet Kasynenko: Am Montag gingen Rentner und Studierende auf die Straße, am Mittwoch Menschen mit Behinderungen, am Samstag die Frauen.

„Unser Land gerät zunehmend in die Isolation“, so Kasyanenko. „Zunächst hat man am 2. November Ausländern die Einreise verboten, nun dürfen sogar belarussische Staatsbürger nicht mehr aus dem Ausland zurückkehren.“ Er wisse von ukrainischen Patienten, die nicht kommen dürften, obwohl sie ihre Operationen schon im Voraus bezahlt hätten.

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2 Kommentare

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  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    "Verwirrung unter den Polizisten habe die Kleidung einiger Protestierer gestiftet. Diese hatten sich so schwarz wie Polizisten gekleidet. Denen sei es dann schwer gefallen, Demonstranten von eigenen Kollegen zu unterscheiden."



    Super Idee,warum sind wir noch nicht darauf gekommen!?

  • Alle schauen nach Amerika und die Sonntagsdemo läuft in den Medien immer mehr unter 'ferner liefen'- die taz ausgenommen. Was soll man auch berichten, es ist jeden Sonntag 'the same procedure'. Das Gemeinsame zw. Trump und Lukaschenko ist der, dass beide das Wahlergebnis in ihrem Land nicht anerkennen. Das Trennende kann sich jeder selbst vorstellen. Die von der EU endlich angekündigten und wohl auch bald umgesetzten Sanktiönchen gegen L. und seine 'Mitarbeiter' sind doch letztlich nur Symbolpolitik, die keine Wirkung zeigen wird. Also was tun, Fragezeichen.