: Kampf um Klinik-Tarif
In Seesen im Harz wächst die Wut auf Asklepios
Es ist mehr als ein Tarifkonflikt und selbst der ist schon ungewöhnlich: Seit Anfang Oktober sind viele Beschäftigte der Asklepios-Kliniken Seesen im unbefristeten Streik, am Montag wollen sie für eine neue Verhandlungsrunde kurz aussetzen. Eigentlich streiken sie schon seit dem Sommer – unterbrochen nur durch die Coronakrise.
Dabei geht es um mehr als ein bisschen mehr Geld: Ver.di, der Betriebsrat, aber auch Politiker verschiedener Parteien und das Bürgerbündnis „Wir für Seesen“ werfen dem Klinikkonzern vor, den Standort absichtlich herunterzuwirtschaften, um andere Konzernstandorte zu stärken. Die Fachklinik galt bis vor wenigen Jahren als Topadresse vor allem für Schlaganfallpatienten.
In einem öffentlichen Brandbrief hatten vier ehemalige Chefärzte dem Konzern einen „katastrophalen Leistungsabbau“ bescheinigt. Sie beklagen den Weggang von „neun Chef- und Leitenden Ärzten, darunter zwei Ärztlichen Direktoren und mindestens zwanzig qualifizierten Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen“.
Auch in der Pflege und Therapie habe sich viel Fachpersonal mittlerweile beruflich umorientiert. Die Gewerkschaft zitiert außerdem aus einer vom Konzern selbst in Auftrag gegebenen Mitarbeiterbefragung, in der die sich stetig verschlechternden Arbeitsbedingungen beschrieben werden.
Asklepios verweist unterdessen auf neu eingestelltes Personal, eine angeblich sinkende Streikbeteiligung und droht mit der Schließung ganzer Bereiche. Der Konzern will nicht mit Ver.di verhandeln, sondern nur mit dem Betriebsrat. Außerdem besteht er auf unterschiedlichen Regelungen für die verschiedenen Bereiche: Immerhin gelten für die Reha-, Akut- und Fachklinik auch unterschiedliche Finanzierungsmodelle.
Die Streikenden fordern einen Tarifvertrag in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Asklepios’eigenes Modell wird als undurchsichtig und schwer vergleichbar kritisiert. Wenn es bei den Verhandlungen am Montag keinen Fortschritt gibt, soll weitergestreikt werden. Nadine Conti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen