Anarcho-Blues-Band Sasebo: Japanischer Komödienstadl
Die Münchner Band Sasebo mischt auf ihrem Album „Sasebo Super Spreader“ Blues mit japanischem Folk und bayerischem Grant. Ein leckerer Eintopf.
Am Anfang war die Münchner Band Sasebo nicht mehr als ein Gerücht. „Bayrisch-japanischer Anarcho-Blues, der Ry Cooder, Tom Waits und Captain Beefheart verarbeitet“, hatte ein Kollege formuliert. Der kann mir viel erzählen, dachte ich und brach eher skeptisch zu meinem ersten Sasebo-Konzert auf.
Zwei Stunden später war ich geheilt. Und auch insofern eines Besseren belehrt, als da tatsächlich kratzbürstige Spurenelemente eines Don van Vliet im Spiel gewesen waren. Und der hatte als überirdischer Bandleader von Captain Beefheart Ende der 1960er seine Ideen schließlich auch nur von der Inspiration durch die alten Delta-Blueser bezogen. Am Ende des überbordenden Auftritts der acht MusikerInnen war ich jedenfalls aus dem Häuschen – nicht nur wegen der vollen Dosis Anarcho-Blues, sondern auch dank einer Breitseite Japan in Wort und Bild und einer großen, verrätselten Bühnenpracht.
Nach zwei EPs beim Münchner Label Echokammer ist jetzt das Debütalbum von Sasebo veröffentlicht. „Monkey Business“ hätte er ursprünglich heißen sollen, was man dem Cover noch ansieht, aus gegebenem Anlass ist es nun aber „Sasebo Super Spreader“ betitelt. Auch ohne die optische Komponente fällt sofort auf, wie simpel die Songs des Oktetts gestrickt sind, aber auch, wie zuverlässig ihre betörende Kraft aufgebaut wird: Gitarrenriff, Taktung, Groove – niemand will hier über Gebühr solistisch glänzen.
Druckvolle Entfaltung im Gruppensound
Wichtiger ist, als Kollektiv im Gruppensound präsent zu sein, der sich dadurch umso druckvoller entfaltet. Und dann wird mit Ausfallschritten Neuland erobert. Untergründiges Brodeln von Ivica Vukelics Rhythmusgitarre, aus Yutaka Minegishis Leadgitarre züngeln vereinzelte Flammen. David Bielander flötet lieber eine hübsche Fanfare, als mit einem abgezirkelten Saxsolo anzugeben. Statt auf Keyboard-Gimmicks setzt Tinka Kuhlmann auf dezente Akkordeoneinwürfe, während Andreas Kolls Tuba und Dirk Eisels Schlagzeug verlässlich die Fahrrinne auschecken.
Sasebo: „Sasebo Super Spreader“ (Gutfeeling/Broken Silence)
Im Vordergrund agieren mit Toshio Kusaba und Carl Tokujiro Mirwald zwei irrlichternde Sänger, die auf Japanisch reden und brabbeln, singen und johlen. Über Gott und die Welt, also über alles und nichts. Mal beiläufig über einen verdösten Sofa-Nachmittag (Tinka Kuhlmann in „Gogo“), mal inbrünstig wie in „Gagac“, das die höfische Musik des japanischen Kaiserhauses imitiert.
In „Nechan“ gipfeln beliebte japanische Anmachsprüche in einem alten Geisha-Spiel: Wer beim Fli-Fla-Flu verliert, muss sich ausziehen – was bei der kleinen Expatgemeinde im Live-Publikum zuverlässig große Heiterkeit hervorruft, auch weil die Message in der entsprechenden Mimik und Gestik aufgelöst wird.
Theatralik und Kostümierung
Effekte von Theatralik, Kostümierung und genialischem Dilettantismus mischen sich und passen gut zur rumpligen Sasebo-Musik, die manchmal tatsächlich in die Vaudeville-Phase eines Tom Waits der 1980er zurückblendet. Die Band ist aber nicht von ungefähr nach der japanischen Stadt Sasebo benannt, die 1902 als Stützpunkt der kaiserlichen Marine gegründet und 1945 von der US-Navy erobert wurde.
Von hier aus sticht die kleine Sasebo-Flotte in See, navigiert mal Blues-, mal Polka-, mal Walzer-selig durch interkulturelle Rock-Gewässer und legt an den unmöglichsten Orten Landgänge ein. Die mögen im Studio zwar nicht so ergebnisoffen geraten sein, wie es Sasebo im Konzert inszenieren können – aber man denke sich die farbigen Gewänder, das dramatische Gebaren der Sänger und überhaupt den ganzen japanischen Komödienstadl in drei Teufels Namen einfach zur Musik dazu!
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