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Bund-Länder-Gipfel wegen CoronaNeue Coronaregeln beschlossen

Kanzlerin Merkel hat sich mit den Länderchef:innen geeinigt: Für Partys gilt fortan ein abgestuftes Gästelimit. Wer in der Gastro falsche Angaben macht, muss zahlen.

Nach dem Gipfel: Angela Merkel und Markus Söder am Dienstagabend Foto: dpa

Berlin afp/dpa | Auf die Bürger:innen in Deutschland kommen wieder strengere Corona-Auflagen zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsident:innen der Länder einigten sich am Dienstag auf abgestufte Obergrenzen von 10 bis 50 Teilnehmer:innen an Privatfeiern. Diese Grenzen sollen in Landkreisen gelten, in denen die Zahl der Neuinfektionen bestimmte Werte überschreitet. Zudem soll es künftig ein von den Gästen zu zahlendes Mindestbußgeld von mindestens 50 Euro für falsche Angaben auf Kontaktlisten von Gaststätten geben.

Hintergrund für die neuen Regeln ist die vergleichsweise hohe Zahl der Corona-Neuinfektionen in den letzten Wochen. Am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 1.798 neue Corona-Infektionen innerhalb der letzten 24 Stunden. Seit Beginn der Coronakrise haben sich nach Angaben des RKI vom Mittwochmorgen mindestens 289.219 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Datenstand 30.9., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.488. Das sind 17 mehr als am Vortag.

Um den Anstieg der Zahlen zu bremsen, einigten sich die Spitzen von Bund und Ländern am Dienstagabend auf zwei Prioritäten, an denen sich die Corona-Auflagen fortan generell orientieren sollen: Die Wirtschaft solle „am Laufen“ gehalten werden, und zudem sollten Kinder „so weit wie möglich“ in die Schule oder in die Kita gehen können.

Es dürfe „nicht wieder einen Lockdown für das ganze Land“ geben, sagte Merkel. „Das muss unbedingt verhindert werden.“ Das beschlossene Konzept erlaube es den Behörden, „regional, spezifisch und zielgenau zu agieren“. Neue Lockerungen der Auflagen werde es vorerst nicht geben.

Zwei-Stufen-Modell

Die Kanzlerin und die Länderchef:innen einigten sich im Berliner im Kanzleramt auf ein Zwei-Stufen-Modell: Wenn in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 35 Infektionen pro 100.000 Einwohner:innen auftreten, soll die Teilnehmer:innenzahl auf 50 bei Feierlichkeiten in öffentlichen oder angemieteten Räumen begrenzt werden, sagte Merkel. Für Feiern in privaten Räumlichkeiten gelte als „dringende Empfehlung“ eine Obergrenze von 25 Teilnehmer:innen.

Liegt die Infektionszahl bei über 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner:innen, soll die nächste Stufe greifen – maximal 25 Teilnehmer:innen bei Feiern in öffentlichen oder angemieteten Räumen und maximal 10 Teilnehmer in Privaträumen.

Den Bundesländern steht es dabei offen, sich selbst schärfere Regeln zu geben. Bei den Obergrenzen für Privatwohnungen handele es sich lediglich um Empfehlungen, betonte Merkel. Kontrollen in Privaträumen solle es nicht geben: Gegen eine Anordnung für private Räume gebe es in mehreren Bundesländern „eine sehr große Skepsis“.

Um die Nachverfolgung von Risikokontakten zu erleichtern, soll künftig ein Mindestbußgeld von 50 Euro für falsche Personenangaben auf Kontaktlisten in der Gastronomie gelten. Die Kosten sollen die Gäste tragen, wie ein Regierungssprecher am Abend klarstellte. Das Bußgeld gilt aber nur für solche Länder, in denen derartige Listen vorgeschrieben sind. Das trifft etwa für Sachsen-Anhalt nicht zu.

„Mehr Maske, weniger Alkohol und weniger Feiern.“

Bund und Länder forderten die Gastronomiebetreiber:innen in ihrem Beschluss auf, „durch Plausibilitätskontrollen dazu beizutragen, dass angeordnete Gästelisten richtig und vollständig geführt werden“. Merkel sagte dazu, dass sich Gastronomen „im Zweifelsfall“ den Ausweis oder Führerschein von Besucher:innen zeigen lassen sollten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte die Beschlüsse auf folgenden Nenner: Bei jeder Steigerung der Infektionszahlen gelte der Grundsatz „mehr Maske, weniger Alkohol und weniger Feiern.“ Bund und Länder hätten sich nun auf eine bundesweite Linie geeinigt – „und die gilt für alle“.

Auf regional abgestufte Regeln hatten vor allem auch die ostdeutschen Länder gedrängt und dabei auf ihre vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen verwiesen. „Weitere Einschränkungen wird es nicht geben“, erklärte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) für sein Bundesland. Auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) verwies darauf, dass sich in seinem Land durch die neuen Beschlüsse nichts ändern werde.

Bund und Länder riefen die Bürger:innen zudem zur Einhaltung der bestehenden Abstands-, Masken- und Hygieneregeln auf – und wollen diese erweitern: Hinzu kommt nun ein Aufruf zur Nutzung der Corona-Warn-App und ein Aufruf zum „regelmäßigen Stoßlüften“, weil dies „in allen privaten und öffentlichen Räumen“ die Gefahr der Ansteckung „erheblich verringern“ könne, wie es in dem Beschluss heißt.

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14 Kommentare

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  • Von bundeseinheitlichen Rgelungen kann nicht die Rede sein, wenn jedes Bundesland untere Vorgaben für die Feiern im Rahmen der Obergrenze macht, z.B.



    in NRW: Keine Abstände zwischen den Feiernden, schon gar nicht zwischen den Tischen, Hygeneregeln ausgesetzt.



    in Berlin: allgemein gültige Abstandsregeln für Gaststätten gelten auch auf Feiern (werden aber regelmäßig nicht befolgt).

    Warum in einer Gaststätte 100 Fremde zusammen sitzen dürfen, nicht aber 100 Leute derselben Gesellschaft bzw. desselben Gastgebers unter gleichen Verhaltensvorgaben, leuchtet mir nicht ein.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Schön ...

    Ebenso wie die ÖPNV, der seit März auf unsere Teilnahme verzichten muß, so ist seit dieser Zeit auch der Besuch von Restaurants und anderen Einrichtungen mit gern (gar beinahe ausschließlich) zweckentfremdeten Kontaktlisten für uns absolut tabu.

    NRW will gar 250 Euro für falsche Angaben erheben. Gut so! Und ansonsten, gerade im kommenden Winter wohl ein weiterer Sargnagel für die Branche.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Haben diese Listen überhaupt eine Relevanz bei der Kontaktverfolgung? Letztens musste ich bei einem Bietgarten mit rund 1000 Plätzen meine Adresse abgeben, wo ich gessessen hatte (und wer daneben) wurde aber nicht registirert. Also völlig unbrauchbare Angaben.

      • @meerwind7:

        Warum sollte das unbrauchbar sein? Es sind 1000 mögliche Infizierte.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Die Politik hat noch nicht begriffen, dass sie nicht auf die widersinnige Zweckentfremdung der Corona-Gästelisten - durch (Sicherheits)Behörden - pochen kann ohne das dies Konsequenzen hat.



      Die BürgerInnen stimmen mit den Füßen ab; nicht wenige Menschen meiden seither Kneipen, Cafes & Gastronomie - wegen befürchteter Datenausspähung.



      Damit erweist die Politik gerade diesem Wirtschaftszweig einen Bärendienst.

  • 1G
    15451 (Profil gelöscht)

    Dass diese Tulpe Söder gehäuft neben Kanzlerin Merkel sitzt, macht mich doch ziemlich nervös. Bisher kamen aus Bayern auch sonst keine fähigen Politiker nach oben!

    • @15451 (Profil gelöscht):

      Bitte nicht erschrecken, aber er ist das Fähigste, das die Union zu bieten hat :-)

    • @15451 (Profil gelöscht):

      Dafür dass die Bayern keine fähigen Politiker hervorbringen ist das Bundesland aber erstaunlich erfolgreich. Mir wird eher schwindelig wenn sich lokale Berliner Politiker für überregionale Ämter interessieren.

      • 1G
        15451 (Profil gelöscht)
        @Goodfella:

        In Bayern scheint es so gut zu laufen, weil die CSU konsewuent auf Konzepte aus dem letzten Jahrhundert setzt und sich etwa nicht um Naturverbrauch oder den Verbrauch der im Freistaat produzierten Monsterautos kümmert. Noch kaufen deutsche Idioten diese Autos von vorgestern und pflegen abstruse "Sportarten" in künstlich beschneiter zerstörter Alpennatur, aber das ist alles Auslaufmodell und wie schnell es bergab gehen kann, wenn einem das Geschäftsmodell abhanden kommt, zeigen Ruhrgebiet und Saarland.



        Also die Politik im Freistaat ist zumindest mittelfristig katastrophal, die bayerischer Politiker auf Bundesebene schon länger offensichtlich auch sehr kurzfristig!

  • Gibt es auch ein Bussgeld für die Polizei, wenn sie die Gäste-Kontaktlisten für fremde Zwecke missbraucht?

    Hahaha.

    Also -- ich glaube, Kneipen sind für mich erst 2023, nach Corona. Wenn's dann noch Kneipen gibt.

  • Artikel-Zitat: "(...) Kontrollen in Privaträumen solle es nicht geben: Gegen eine Anordnung für private Räume gebe es in mehreren Bundesländern „eine sehr große Skepsis“. (...)"



    Danke, ihr HerrscherInnen von Deutschland, dass Euch die privaten Wohnräume der BürgerInnen noch(!) heilig sind. Die Stadt Emsdetten will Häuser, in denen sich Menschen laut "Meldungen" nicht an die Corona-Quarantäne halten, von einem privaten Sicherheitsdienst beobachten lassen:



    www.emsdetten.de/m...nuid=167&topmenu=4

    • @Thomas Brunst:

      Quarantäneanordnungen (für aktut krankheitsverdächtige Personen) und Regelungen für die Allgemeinheit (und deren Kontrolle) sind schon zwei paar Schuhe.

    • @Thomas Brunst:

      Menschen, die sich nicht an eine Quarantäne halten, brechen Gesetze. Und natürlich muss der Gesetzgeber Gesetze durchsetzen.

      Mal abgesehen davon, dass es völlig unverständlich ist, wie man gegen primitivste Regeln der Rücksicht auf seine Mitmenschen verstoßen kann...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich habe ein Problem damit, dass hier zu schnell auf public private partnership gesetzt wird, ganz selbstverständlich private Dienstleister zum Einsatz kommen, in einem Bereich wo Befugnisse (der Dienstleister) und der Datenschutz völlig ungeklärt sind und sich diese "privaten Maßnahmen" auch einer öffentlichen Kontrolle entziehen. Heute im SPIEGEL (Link s.u.): Dürfen die hierbei eingesetzten Security-Angestellten Ausweise kontrollieren?



        Noch lässt man die BürgerInnen, in ihren vier Wänden, zufrieden.



        Mich würde es aber nicht wundern, wenn noch ein paar Wochen oder Monate ins Land ziehen und Städte und Gemeinden - aus Personalmangel - zur Kontrolle den BürgerInnen Unternehmensangestellte vor die Haustür schicken.



        Auch unter Quarantäne stehende BürgerInnen haben Rechte!



        www.spiegel.de/pan...-8f40-e5db3b77a617